Multi-Organ-Befall und Immunfehlregulation |
Theo Dingermann |
14.03.2024 12:00 Uhr |
Das Chikungunya-Virus, ein RNA-Virus aus der Gattung Alphavirus, ist bislang hauptsächlich in den Tropen verbreitet. / Foto: Adobe Stock/Dr_Microbe
Das Chikungunya-Virus (CHIKV) hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als 10 Millionen Menschen in über 100 Ländern auf vier Kontinenten infiziert. Die Zahl der Fälle könnte noch steigen, da sich wegen des Klimawandels die Verbreitung des CHIKV wahrscheinlich ausweitet, sodass es auch in den deutlich stärker bevölkerten gemäßigten Regionen epidemisch werden könnte.
Im November 2023 wurde der erste Impfstoff gegen die durch das CHIKV verursachte Krankheit Chikungunya-Fieber (CHIK) in den USA zugelassen. Für diesen Impfstoff, ein abgeschwächter Lebendimpfstoff der Firma Valneva, läuft in Europa seit November 2023 ein beschleunigtes Zulassungsverfahren. In der fortgeschrittenen Entwicklung befindet zudem ein Impfstoffkandidat der Firma Bavarian Nordic (CHIKV VLP), der als Antigen rekombinante Virus-like Particles (VLP) enthält.
Wie wichtig diese Impfstoffe sind, deutet nun eine Publikation eines Teams um Professor Dr. William M. de Souza von der University of Kentucky in Lexington, USA, an. Die Forschenden untersuchten die Pathophysiologie von CHIKV-Infektionen mit tödlichem Ausgang in Brasilien im Zeitraum zwischen Januar 2015 und Juni 2023.
Insgesamt waren dem brasilianischen Gesundheitsministerium für diesen Zeitraum 909 CHIK-Todesfälle aus 22 von 27 Bundesstaaten gemeldet worden, was 0,8 Todesfällen pro 1000 Infektionen entspricht. Die Ergebnisse einer Vielzahl von Labor- und Autopsiedaten, die von 32 verstorbenen Patienten sowie von 39 Überlebenden einer akuten CHIKV-Infektion stammen, publizierten die Forschenden im Fachjournal »Cell Host & Microbe«.
Die Forschenden zeigen, dass bei einem fatalen Verlauf mit CHIKV infizierte mononukleäre Blutzellen in Herz, Leber und Niere eindringen können. Auch belegen Liquorproben sehr klar, dass es dem Virus gelingt, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, sodass mononukleäre Zellinfiltrate auch im Gehirn der Patienten auftauchten.
Über zwei Mechanismen dringt das Virus ins Zentralnervensystem ein: Zum einen infiziert es sogenannte CD14+/CD16+-Monozyten, die in Anwesenheit hoher Mengen des CC-Chemokin-Liganden 2 (CCL2) über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn transportiert werden. Zum anderen beeinträchtigt die Infektion Proteine, die für eine intakte Blut-Hirn-Schranken-Architektur wichtig sind.
Zudem konnten die Forschenden eine erhöhte Expression des Adhäsionsmoleküls ICAM-1 feststellen, das normalerweise auf Endothelzellen in geringen Mengen exprimiert, bei Entzündungen aber hochreguliert wird. ICAM-1 spielt eine wichtige Rolle bei der transendothelialen Migration von Leukozyten.
Demgegenüber fanden die Forschenden in den Seren von Verstorbenen im Vergleich zu CHIK-Überlebenden eine signifikanten Herabregulation von Chondrosin, einem Bestandteil des Bindegewebes, der an der Organisation und Widerstandsfähigkeit der extrazellulären Matrix beteiligt ist.
»Unsere Daten zeigen, dass CHIK-Viren nicht nur für eine Arthralgie als Leitsymptomatik in Verbindung mit Fieber, Muskelschmerzen und Gelenkschwellungen für eine CHIKV-Infektion verantwortlich sind, sondern dass die Viren auch neurologische Schäden verursachen können«, erklärt de Souza in einer Pressemitteilung.
Zudem würden traditionell Herzversagen und neurologische Erkrankungen nicht mit CHIK in Verbindung gebracht. Diese könnten aber bei einer kleinen Gruppe der infizierten Patienten auftreten und fatale Folgeerkrankungen verursachen, so de Souza.
Zusammenfassend resümieren die Forschenden, dass ihre Daten zum Verständnis der pathophysiologischen Determinanten von CHIK-Todesfällen, einschließlich viraler und Wirtsfaktoren, beitragen sollten. Auch liefern die Ergebnisse mechanistische Erkenntnisse, die möglicherweise an den bei einigen CHIKV-Infektionen beschriebenen ZNS-Erkrankungen beteiligt sind.