Moral schwankt mit dem Wetter |
Jennifer Evans |
02.09.2024 16:20 Uhr |
Im Sommer sinkt die Moral. Welche Auswirkungen das auf unsere Gesellschaft hat, können Wissenschaftler nur mutmaßen. / © Shutterstock/PX Media
Je nach Saison ändert sich unsere moralische Einstellung. Während wir im Frühling und Herbst stärker »verbindlichen Werten« wie Loyalität, Autorität und Reinheit folgen, sind wir im Sommer und Winter damit nachlässiger. Das ergab eine Untersuchung um den Autor Ian Hohm, Doktorand an der psychologischen Fakultät der kanadischen Universität British Columbia. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hatten an der Studie mehr als 230.000 Personen teilgenommen.
Mit »verbindlichen Werten« meinen die Forschenden solche, die Konformität mit Gruppennormen fördern. Fürsorge und Fairness bezeichnen sie dagegen als »liberalere Werte«, da sich diese auf die Rechte und das Wohlergehen des Einzelnen konzentrieren.
Hinweise fand Hohm außerdem darauf, dass der Schwankungseffekt in Regionen mit größeren jahreszeitlichen Klimaunterschieden stärker ausgeprägt war. Bei den liberalen und individuelleren Werten zeigte sich dagegen kein saisonales Muster.
Eine mögliche Erklärung sieht das Wissenschaftsteam in Zusammenhang mit Ängsten. Denn auch die höchsten Angstwerte fallen anderen Studien zufolge ins Frühjahr und in den Herbst – jene Zeiten also, in denen die Menschen offenbar mehr auf verbindliche Werte achten. Das deute darauf hin, dass die Angst dazu veranlasse, Trost in Gruppennormen und Traditionen zu suchen, heißt es zur Begründung.
Mit dieser Erkenntnis entstehen womöglich gesellschaftliche Probleme. Moralvorstellungen prägen unser Fühlen und Handeln – sei es hinsichtlich Vorurteilen, politischer Einstellungen oder auch bei der Rechtsprechung. Die Studienautoren geben daher zu bedenken, dass ihre Beobachtungen Einfluss auf den Zeitpunkt von Wahlen sowie die Reaktion auf Gesundheitskrisen haben könnten. Dennoch ist nicht alle Hoffnung verloren. Schließlich seien moralische Werte formbar, betonten die Forschenden.