| Sven Siebenand |
| 04.04.2025 15:00 Uhr |
Mehr als 500 Millionen Menschen weltweit leiden an Diabetes. Die Erkrankung geht oft mit dem fortschreitenden Versagen der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse einher. / © Getty Images/ mi-viri
Hohe Blutzucker- und Fettsäurespiegel wirken sich bei Diabetes mellitus bekanntermaßen ungünstig aus. Die Begriffe Gluco- und Lipotoxizität werden in diesem Zusammenhang häufig verwendet. Auch die Kombination aus beidem hat einen Namen: Glucolipotoxizität. Besonders bei Diabetes Typ 2 führt eine anhaltend hohe Belastung durch Zucker und Fette im Blut dazu, dass die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse geschädigt und schließlich zerstört werden.
Ein internationales Forschungsteam berichtet im Fachjournal »Nature Communications« nun von einer Idee, wie sich dieser Prozess gezielt aufhalten lässt. In einer Pressemitteilung nimmt die Universität Duisburg-Essen Bezug auf diese Publikation, an der auch Professor Dr. Markus Kaiser von der biologischen Fakultät der Hochschule als Seniorautor beteiligt ist.
Dreh- und Angelpunkt der Forschungsarbeit ist das sogenannte Carbohydrate Response Element Binding Protein (ChREBP), ein auf Glucose reagierender Transkriptionsfaktor. Normalerweise schützen viele verschiedene Faktoren die Betazellen vor Überlastung, unter anderem indem sie eine Bindung zwischen der Isoform alpha des Stoffwechselregulators (ChREBPα) und dem regulatorischen Protein 14-3-3 vermitteln – dieser Name könnte auch den Star-Wars-Filmen entsprungen sein.
Der beschriebene Schutzmechanismus versagt bei häufig auftretender Hyperglykämie. Dann löst sich die Bindung zwischen ChREBPα und 14-3-3. Die Betazellen sind der Glucolipotoxizität sozusagen schutzlos ausgeliefert.
Hier setzt die Entdeckung des Forschungsteams an. Arbeitshypothese ist, dass eine durch kleine Moleküle vermittelte Stabilisierung der Protein-Protein-Interaktion die Zellen schützen kann. In der Originalarbeit berichten die Forschenden, dass es durch Optimierungen einer »molekularen Klebstoffverbindung« gelungen sei, zu potenten ChREBPα/14-3-3-Stabilisatoren mit zellulärer Aktivität zu gelangen.
In-vitro-Arbeiten mit humanen Betazellen zeigten, dass die aktivste Verbindung ChREBPα im Zytoplasma hielt und die insulinproduzierenden Zellen des Pankreas effizient vor Glucolipotoxizität schützte. Das heißt, die Betazellen wurden vor den toxischen Folgen eines hohen Blutzuckers bewahrt, was ihren Funktionsverlust aufhält und womöglich das Fortschreiten von Diabetes verlangsamt.
»Zum ersten Mal ist es gelungen, mit kleinen Molekülen die Aktivität von ChREBP gezielt zu steuern – ein Meilenstein mit enormem therapeutischen Potenzial«, erklärt Kaiser. Die Forschungsarbeit zeige eine völlig neue Strategie zur Bewahrung der Betazell-Funktion auf. »Dieser Ansatz könnte bestehende Therapien ergänzen und das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen.«
Bis zu marktfähigen Medikamenten ist allerdings noch eine große Menge Forschungsarbeit zu bewältigen. Der nächste Schritt besteht darin, die molekularen Klebstoffe weiter zu optimieren und in präklinischen Modellen zu testen. Gelingt das, könnten potenzielle Arzneistoffkandidaten in die klinische Prüfung gehen.