Mögliches Risiko für Autismus und ADHS |
Sven Siebenand |
14.08.2025 16:00 Uhr |
Mehr als die Hälfte aller schwangeren Frauen nehmen Paracetamol ein. Damit ist Paracetamol das am häufigsten verwendete rezeptfreie Schmerz- und Fiebermittel während der Schwangerschaft. / © Adobe Stock/ Sk Elena
Paracetamol ist das am häufigsten verwendete rezeptfreie Schmerz- und Fiebermittel während der Schwangerschaft und wird von mehr als der Hälfte der schwangeren Frauen weltweit eingenommen. Der Wirkstoff gilt als die sicherste medikamentöse Option zur Behandlung von Kopfschmerzen, Fieber und anderen Schmerzen.
Immer wieder wurde die Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft allerdings mit einem möglicherweise erhöhten Risiko des Kindes für neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus-Spektrum-Störungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in Zusammenhang gebracht. Stets gab es danach jedoch wieder Entwarnung – zuletzt im vergangenen Jahr durch eine Studie im Fachjournal »JAMA Network«.
Eine Analyse von 46 Studien mit Daten von mehr als 100.000 Teilnehmern aus mehreren Ländern hat nun erneut entsprechende Hinweise gefunden und unterstreicht die Notwendigkeit sowohl von Vorsicht als auch von weiteren Untersuchungen. In »BMC Environmental Health« publizierte ein Team um Professor Dr. Diddier Prada von der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York die Ergebnisse der Untersuchung.
Von den 46 Studien berichteten 27 über positive Zusammenhänge, 9 zeigten keine Zusammenhänge und 4 wiesen auf negative Zusammenhänge hin, also eine schützende Wirkung von Paracetamol. Studien von höherer Qualität zeigten eher positive Zusammenhänge, heißt es in der Originalpublikation.
In einer begleitenden Pressemitteilung weist Prada explizit auf den letzten Punkt hin und merkt an, dass angesichts der weit verbreiteten Verwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft selbst eine geringfügige Erhöhung des Risikos erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben könnte.
Die Studie untersuchte auch biologische Mechanismen, die den Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol und diesen Störungen erklären könnten. So könnte es sein, dass Paracetamol nach Passage der Plazentaschranke oxidativen Stress auslöst, den Hormonhaushalt stört oder epigenetische Veränderungen verursacht, die die Entwicklung des Gehirns des Fetus beeinträchtigen.
Wichtig: Die Studie zeigt nicht, dass Paracetamol direkt neurologische Entwicklungsstörungen verursacht. Die Ergebnisse des Forschungsteams untermauern jedoch den Verdacht auf einen Zusammenhang. Bereits jetzt lautet die Empfehlung, dass Schwangere Schmerzmittel wie Paracetamol möglichst niedrig dosiert und nur so kurz wie möglich anwenden sollten. Dies unterstreichen die Forscher mit ihrer Forderung nach einer vorsichtigen, zeitlich begrenzten Verwendung von Paracetamol während der Schwangerschaft unter ärztlicher Aufsicht, aktualisierten klinischen Leitlinien sowie weiterer Forschung, um diese Ergebnisse weiter zu untersuchen und womöglich sicherere Alternativen für die Behandlung von Schmerzen und Fieber bei Schwangeren zu finden.
»Schwangere Frauen sollten die Einnahme von Medikamenten nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt abbrechen«, betont Prada. »Unbehandelte Schmerzen oder Fieber können auch dem Baby schaden. Unsere Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, mit Gesundheitsdienstleistern über die sicherste Vorgehensweise zu sprechen und wann immer möglich nicht medikamentöse Optionen in Betracht zu ziehen.«