Mit Telepharmazie Apotheken weiterentwickeln |
Tauschten sich über Telepharmazie aus (von links): Stefan Wild von Pharmasuisse, BAK-Präsident Thomas Benkert, der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves und Hannes Müller, Mitglied des Digital Hubs der ABDA. Die Moderation übernahm PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann (2.v.l.). / Foto: ABDA
Welche Erfahrungen haben Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland bereits mit der Telepharmazie gesammelt? Welche Erkenntnisse können sie aus dem Ausland übernehmen? Wie kann Telepharmazie die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker bessern? Welche Chancen hält die Telepharmazie für die Versorgung von Patientinnen und Patienten bereit, und welche Grenzen hat sie?
Darüber diskutierten heute in Berlin BAK-Präsident Thomas Benkert, der Bundestagsabgeordnete und Sprecher für E-Health für die SPD-Fraktion, Matthias Mieves, sowie Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden BAK-Vorstands und des Digital Hubs der ABDA. Über Erfahrungen in der Schweiz berichtete Stefan Wild, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Apothekerverbands Pharmasuisse. Die Moderation übernahm PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann.
Im Vorfeld des BAK-Symposiums hatten bereits der Digitalausschuss der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) und die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) ihre Positionen zur Telepharmazie bekannt gemacht. Die Nordrheiner definieren Telepharmazie als »Kommunikation des pharmazeutischen Personals von öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken im Rahmen einer pharmazeutischen Tätigkeit, bei der sich das Apothekenpersonal sowie die Leistungsempfänger nicht am gleichen Ort aufhalten«. Dabei soll eine telepharmazeutische Betreuung zwar auch aus dem Homeoffice möglich sein, jedoch nur mit Apothekenanschluss.
Die BLAK fordert in ihrem Positionspapier klare Leitlinien und Standards, um die Sicherheit, Qualität und Effizienz der Telepharmazie in der Apotheke vor Ort und Krankenhausapotheken zu gewährleisten. Sie sollte ausschließlich durch qualifiziertes Fachpersonal mit Anbindung an eine Apotheke vor Ort oder Krankenhausapotheke erfolgen. Voraussetzung sollte möglichst ein persönliches Erstgespräch mit den Patienten vor Ort sein, heißt es im Positionspapier.
Aus Sicht von Matthias Mieves, Mitglied im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Digitales des Bundestags, sollte Telepharmazie drei Ziele verfolgen: Sie sollte erstens die Gesundheitsversorgung in Deutschland verbessern, zweitens den Arbeitsplatz öffentliche Apotheke attraktiver machen und drittens die Apotheken als Gesundheitsstandorte in Deutschland stärken und weiterentwickeln.
Er könne sich Telepharmazie sehr gut in Apotheken vorstellen, sagte der Digitalexperte, und skizzierte ein praktisches Beispiel: »Die Patienten wollen wieder gesundwerden, ohne dass sie zum Arzt gehen müssen. Sie wollen fachkundig per Videotelefonie beraten werden und direkt aus der Apotheke Medikamente bekommen, ohne dass sie das Sofa verlassen müssen.« Er könne sich vorstellen, dass Apotheken durch Telepharmazie ihr Aufgabenspektrum erweitern und auch die Ärzte entlasten könnten. Zudem biete es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, aus dem Homeoffice Patienten zu versorgen.
»Apotheken ohne Apotheker – das ist für uns keine Telepharmazie. Das lehnen wir ab«, stellte BAK-Präsident Thomas Benkert klar. Damit erteilte er den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wonach künftig unter bestimmten Umständen PTA abgespeckte Apotheken leiten dürfen sollen, wenn bei Bedarf ein Approbierter per Video zugeschaltet werden kann, eine Absage.
Hingegen könne er sich sehr gut vorstellen, weitere pharmazeutische Dienstleistungen sowie Präventionsleistungen anzubieten, und in diesem Zusammenhang auch Telepharmazie einzusetzen. »Allerdings können wir Prävention nicht zum Nulltarif anbieten«, machte Benkert deutlich. Außerdem bleibe immer der persönliche Kontakt entscheidend. »Wir brauchen die Anbindung an die Apotheke vor Ort«, betonte der BAK-Präsident.
Mieves spielte den Ball an die Apothekerinnen und Apotheker zurück und appellierte an sie, Vorschläge zu machen, wie sie sich Telepharmazie in den Apotheken vor Ort konkret vorstellen. Kapitel 1 im Eckpunktepapier zur Apothekenreform sei »eine ausgestreckte Hand« zum Thema Telepharmazie an die Apotheken. »Wir sind offen für Ihre Ideen. Wenn wir klare Vorstellungen der Apothekerschaft bekommen, dann hilft das sehr«, betonte der Digitalexperte der SPD.
Wie BAK-Präsident Benkert sprach sich auch Mieves gegen Callcenter in der Telepharmazie aus. Beispiele aus Schweden hätten gezeigt, dass dies keine Vorteile für die Patientinnen und Patienten habe.
Auch Hannes Müller würde gern neue pharmazeutische Dienstleistungen in Apotheken anbieten. Für ihn ist Telepharmazie alles, was Apotheken für ihre Patientinnen und Patienten heute schon leisten – aber eben über die Entfernung. Aus Sicht des Mitglieds des Digital Hubs der ABDA bietet Telepharmazie viel Potenzial, um die Adhärenz zu verbessern. In England finde bei chronisch kranken Patienten, denen ein neues Medikament verordnet worden sei, im Rahmen des »New Medicine Service« eine erste Beratung in der Apotheke statt. Folge- und Abschlussgespräch, um die Adhärenz zu erhöhen, könnten explizit auch telepharmazeutisch erfolgen. Er könne sich vorstellen, dass auch Apotheken in Deutschland Telepharmazie einsetzen, um Patienten bei der richtigen und konsequenten Medikamentenanwendung zu unterstützen.
Stefan Wild, Vorstandsmitglied bei Pharmasuisse, schilderte Erfahrungen in der Schweiz. Dort habe es im Jahr 2012 »erste Gehversuche« mit einer Art assistierten Telemedizin in der Apotheke gegeben. Je nach Kanton sei es möglich, dass ein Patient in der Apotheke telemedizinisch mit einem Arzt spricht und dann dort direkt das verordnete Medikament erhält.
Aus Sicht des Vorstandsmitglieds des schweizerischen Apothekerverbands ist die beste Versorgung eine hybride, auch über alle Professionen und Sektorengrenzen wie ambulant und stationär hinweg – und er kann sich in Zukunft auch eine durch den Arzt assistierte Telepharmazie vorstellen, bei der der Apotheker zunächst bei einfachen Erkrankungen selbst berät und nur im Zweifelsfall einen Arzt hinzuzieht.