Mit RNA-Interferenz gegen Bluthochdruck |
Theo Dingermann |
25.07.2023 07:00 Uhr |
Bei vielen Hypertonie-Patienten gelingt es nicht, den Blutdruck dauerhaft ausreichend zu senken. Daher wird an neuen Wegen geforscht, wie beispielsweise der RNA-Interferenz. / Foto: Getty Images/Piksel
Angiotensinogen bildet die strukturelle Basis des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), das entscheidend an der Blutdruckregulation mitwirkt. Angiotensinogen als sogenanntes Precursorprotein bietet sich als Therapietarget förmlich an, da bei etlichen Bluthochdruckpatienten trotz etablierter und in der Regel sehr wirksamer Therapieoptionen die in den Leitlinien empfohlenen Blutdruckziele nicht erreicht werden.
Forschende um Dr. Akshay S. Desai von der Abteilung für kardiovaskuläre Medizin am Brigham and Women's Hospital in Boston, stellen jetzt im »New England Journal of Medicine« (NEJM) Daten einer Phase-I-Studie vor, in der sie das Potenzial von Zilebesiran, einem RNA-Interferenztherapeutikum (siRNA), testeten, um Bluthochdruck nachhaltig zu kontrollieren. Einige Sirane sind bereits als Medikamente auf dem Markt, allerdings gegen bestimmte seltene Erkrankungen und nicht in einer solch großen Indikation wie der Volkskrankheit Bluthochdruck.
Die Studie war als eine vierteilige, multizentrische Phase-I-Studie konzipiert. In der nun veröffentlichten Publikation präsentieren die Forschenden die Daten aus den Teilen A, B und E. Der Teil D der Studie ist noch nicht abgeschlossen. Teil C war als Multidosis-Phase geplant, wurde aber im Zuge einer Protokolländerung gestrichen.
Die 84 Bluthochdruck-Patienten, die in den Teil A der Studie eingeschlossen wurden, waren nach dem Zufallsprinzip in Verhältnis 2:1 entweder einer einzelnen aufsteigenden subkutanen Dosis von Zilebesiran (10, 25, 50, 100, 200, 400 oder 800 mg) oder Placebo zugeteilt worden. Sie wurden über 24 Wochen lang beobachtet.
Bei den zwölf Patienten im Teil B der Studie wurde die Wirkung einer 800-mg-Dosis von Zilebesiran auf den Blutdruck unter den Bedingungen einer salzarmen (0,23 g pro Tag) oder salzreichen (5,75 g pro Tag) Ernährung untersucht. In Teil E erhielten 16 Probanden zusätzlich zu einer 800-mg-Dosis Zilebesiran noch Irbesartan als Komedikation verabreicht.
Teilnahmeberechtigte Patienten waren Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren, bei denen nach Absetzen der Hochdrucktherapeutika ein mittlerer systolischen Blutdruck im Sitzen von mehr als 130 bis 165 mmHg (Teil A und B) oder von mehr als 135 bis 165 mmHg (Teil E) und ein mittlerer systolischen Blutdruck von 130 mmHg oder mehr gemessen wurde.
Der primäre Endpunkt war die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen. Sekundäre Endpunkte waren die Veränderung des Angiotensinogen-Serumspiegels gegenüber dem Ausgangswert und pharmakokinetische Eigenschaften des Wirkstoffs. Zilebesiran ist eine RNA-Sequenz, die mit N-Acetylgalaktosamin (GalNAc)-Resten konjugiert ist und deshalb in der Leber akkumuliert.
Zu den explorativen Endpunkten gehörten Veränderungen des systolischen und diastolischen Blutdrucks gegenüber dem Ausgangswert, gemessen durch ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung in den Wochen 6, 8, 12 und 24 in Teil A, während der Einnahme von niedrigem und hohem Salzgehalt vor und nach der Verabreichung der Dosis in Teil B sowie vor und nach der täglichen Verabreichung von Irbesartan in Teil E.
Unerwünschte Ereignisse, die bei mindestens 5 Prozent der Patienten auftraten, waren Kopfschmerzen, Reaktionen an der Injektionsstelle und Infektionen der oberen Atemwege; die meisten dieser Ereignisse waren leicht oder mittelschwer. Es wurden bei keinem Patienten Maßnahmen wegen Hypotonie, Hyperkaliämie oder Verschlechterung der Nierenfunktion eingeleitet. Zudem wurden keine klinisch signifikanten Veränderungen der Serumspiegel von Kalium, Natrium oder Kreatinin oder der geschätzten glomerulären Filtrationsrate festgestellt.
Der Angiotensinogen-Serumspiegel korrelierte dosisabhängig negativ mit der Zilebesiran-Dosis. Zilebesiran-Dosen von 100 mg oder mehr entsprachen einer mittleren Senkung der Angiotensinogen-Serumspiegel um mehr als 90 Prozent, die bei den Probanden des Teils A der Studie von Woche 3 bis Woche 12 anhielt. Bei den Patienten, die 800 mg Zilebesiran erhielten, sanken die Angiotensinogen-Serumspiegel bis Woche 24 um mehr als 90 Prozent. Die Ergebnisse von Teil E ließen keine zusätzliche Wirkung von Irbesartan auf den Angiotensinogenspiegel erkennen.
Bei den Patienten im Teil A der Studie zeigte sich eine negative Korrelation zwischen der Zilebesiran-Dosis und der Veränderung des mittleren ambulanten systolischen 24-Stunden-Blutdrucks gegenüber dem Ausgangswert. Dabei korrelierte die Abnahme des systolischen Blutdrucks auch mit dem Grad der Abnahme des Angiotensinogen-Serumspiegels.
Nach Einzeldosen von Zilebesiran von 200 mg oder mehr wurden in Woche 8 eine Senkung des systolischen Blutdrucks um >10 mmHg und des diastolischen Blutdrucks um >5 mmHg beobachtet. Bei den acht Patienten, die 800 mg Zilebesiran erhalten hatten, wurde in Woche 24 ein systolischer Blutdruck von -22,5 ± 5,1 mmHg und ein diastolischer Blutdruck von -10,8 ± 2,7 mmHg verglichen mit den Ausgangswerten gemessen.
Daten aus Teil B der Studie zeigten, dass der blutdrucksenkende Effekt einer salzarmen Diät durch die Behandlung mit Zilebesiran noch einmal deutlich gesteigert werden konnte. Eine zusätzliche Behandlung mit Irbesartan von Patienten, die 800 mg Zilebesiran erhalten hatten (Teil E der Studie), zeigte innerhalb von zwei Wochen inkrementelle Veränderungen des mittleren systolischen und diastolischen Blutdrucks von -6,3 ± 3,1 mmHg bzw. -3,0 ± 1,9 mmHg zusätzlich.
Die Studienautoren weisen auf wichtige Einschränkungen der Studie hin, darunter die kleine Stichprobe und die relativ kurze Dauer der Nachbeobachtung. Obwohl Frauen im gebärfähigen Alter zur Teilnahme berechtigt waren, wenn sie verhüteten, liegen keine ausreichenden Daten vor, um zu beurteilen, ob die teratogenen Wirkungen anderer Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems auch bei Zilebesiran auftreten könnten. In präklinischen Studien zur Bewertung von Angiotensinogen-siRNA in Rattenmodellen der Präeklampsie wurden jedoch keine schädlichen Auswirkungen auf die Jungtiere festgestellt, und es zeigte sich, dass die siRNA die Plazenta nicht passiert.
In einer aktuellen Pressemeldung teilt der Pharmariese Roche mit, dass eine Partnerschaft mit Alnylam zur zügigen, gemeinsamen Weitentwicklung und anschließenden Vermarktung von Zilebesiran zur Behandlung von Bluthochdruck bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko vereinbart wurde.