Mit der Genschere gegen Muskeldystrophie |
Es gibt Fortschritte bei der Gentherapie gegen Muskeldystrophie. Im Mausmodell konnte man bereits eine Muskelregeneration zeigen. / © Adobe Stock/ Jacqueline Weber
Die auch als Genschere bezeichnete CRISPR/Cas-Methode bietet neue Möglichkeiten, um Gentherapien für monogenetische Erbkrankheiten zu entwickeln. Das Verfahren wurde gerade von einer Arbeitsgruppe vom Max Delbrück Center und der Charité – Universitätsmedizin Berlin um Dr. Helena Escobar Fernandez angewendet, um einen Gendefekt bei Muskeldystrophie zu korrigieren. Über die Fortschritte berichtete das Max Delbrück Center in Berlin in einer Pressemitteilung.
Die Arbeitsgruppe entnahm zwei Betroffenen mit Gliedergürtel-Muskeldystrophie Stammzellen und korrigierte in diesen den Gendefekt mit der CRISPR/Cas-Methode. Die Zellen produzierten daraufhin in Zellkultur wieder ein funktionierendes Protein. Im Tierversuch gingen die Autoren noch einen Schritt weiter und transplantierten die reparierten Stammzellen wieder in die Muskeln von Mäusen mit dem Gendefekt. Die Muskeln regenerierten und begannen zu wachsen. Die Ergebnisse stellte das Team im Fachjournal »Nature Communications« vor. Eine Behandlung von Menschen mit den gentherapeutisch veränderten Stammzellen rückt damit ein Stück näher.
Es ist eine ganze Palette an verschiedenen Muskeldystrophie-Mutationen bekannt, bei denen ein einziges Protein ausfällt. Die Wahl der Arbeitsgruppe fiel auf Gliedergürtel-Muskeldystrophie mit einer Mutation im Gen für Dysferlin (DYSF Exon44). Dysferlin ist ein Membranprotein, das bei der Reparatur von Membrandefekten in Muskelzellen gebraucht wird. Fehlt Dysferlin, sterben die Muskelzellen, was Muskelabbau und ernsthafte Behinderungen nach sich zieht. Bereits junge Erwachsene sind mitunter schwer beeinträchtigt, können nicht gehen oder die Hände normal benutzen.
Zur Gentherapie verwendete die Arbeitsgruppe Muskelstammzellen, die für die Muskelregeneration zuständig sind. Natürlicherweise liegen sie in besonderen Nischen zwischen den vielkernigen Muskelzellen vor. Bei Bedarf erzeugen sie durch Zellteilung myogene Vorläuferzellen, die mit den vielkernigen Muskelzellen verschmelzen und so neues Muskelgewebe bilden. Dadurch kann sich der Muskel eigenständig regenerieren.
Die Erfolgsquote für die Reparatur durch CRISPR/Cas sei hoch, melden die Autoren, jedoch führe die Manipulation zum Austausch von vier Aminosäuren am Ort der Mutation. Dies habe jedoch keinen Einfluss auf die Funktion des Proteins.
In der Zusammenarbeit mit Dr. Ralf Kühn, Leiter der Arbeitsgruppe »Genom-Editierung und Krankheitsmodelle« am Max Delbrück Center, haben die Forschenden ein Mausmodell mit einem entsprechenden Defekt im Gen für Dysferlin entwickelt. Das Modell ahmt die Gliedergürtel-Muskeldystrophie genau nach, sodass alle Schritte in Natura getestet werden konnten.
Nach der Entnahme von Muskelstammzellen wurde ihr Genom in vitro mit der CRISPR/Cas-Technologie verändert. Anschließend reimplantierte man die Zellen den Tieren in den Muskel, wo diese Zellen dann die Reparatur des Muskels übernahmen und zu wachsen begannen. Sie besetzten auch die Stammzellnischen, sodass man davon ausgeht, dass der Muskel auf lange Zeit regenerationskompetent ist.
Begleitend wollte das Team auch prüfen, ob das Immunsystem der Tiere die leicht veränderten Dysferlin-Proteine oder die Stammzellen angreifen würde. »Wir konnten keine Immunreaktion gegen die transplantierten Zellen oder die erzeugten Proteine feststellen. Das ist vielversprechend, wenn wir diese Therapie nun in einer klinischen Studie erproben«, sagt Seniorautorin Professorin Dr. Simone Spuler in der Mitteilung.
»Unsere Studie liefert erste In-vivo-Ergebnisse, dass das Konzept funktioniert« schließen die Autoren in ihrer Publikation. Das Team weist aber darauf aber hin, dass man sich zunächst auf wenige Muskeln der 600 Muskeln im Körper beschränken wird. »Wir fangen ganz bescheiden mit ein oder zwei Muskeln an, die wir ansteuern«, sagt Spuler. Sollte die klinische Studie erfolgreich sein, würde es noch etliche Jahre dauern, bis die Therapie allgemein zugänglich ist, heißt es in der Pressemitteilung.