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Epigenom-Editor

Mit CHARM Gene stilllegen

Ein als CHARM bezeichneter Epigenom-Editor könnte ein neuer Therapieansatz für neurodegenerative Erkrankungen werden. Bei Mäusen konnte mit ihm das schädliche Prion-Gen im Gehirn effektiv ausgeschaltet werden.
Christina Hohmann-Jeddi
10.07.2024  09:00 Uhr

Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer und auch Prion-Erkrankungen spielt die Ansammlung von schadhaften Proteinen eine Rolle. Das entsprechende Gen stillzulegen, könnte daher eine therapeutische Option sein. Obwohl die Produktion schädlicher Proteine auch über CRISPR/Cas-Systeme oder Antisense-Oligonukleotide abgeschaltet werden könnte, waren bisherige Versuche auf diesem Gebiet erfolglos, vor allem weil das Gehirn schlecht erreicht werden kann.

Eine Alternative könnte die Veränderung des Epigenoms bieten. Das Epigenom ist die Gesamtheit der chemischen Veränderungen an der DNA wie Methylgruppen, die die Expression von Genen beeinflussen. Denn durch epigenetische Veränderungen können Gene stillgelegt werden, ohne ihre Sequenz zu verändern.

Forschende des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und Kollegen von den Universitäten Harvard und Boston haben einen programmierbaren Epigenom-Editor entwickelt. Das System mit der Bezeichnung CHARM (Coupled Histone tail for Autoinhibition Release of Methyltransferase) kann mit hoher Spezifität einzelne Gene mittels DNA-Methylierung stilllegen. Die Forschenden stellen es aktuell im Fachjournal »Science« vor.

Mit zu dem Team gehören die Prionenforscher Dr. Sonia Vallabh und ihr Ehemann Dr. Eric Minikel. Beide gaben ihre nicht biomedizinischen Karrieren auf und widmeten sich der Prionenforschung, nachdem Vallabh erfahren hatte, dass sie eine Prion-Genvariante trägt, die letale familiäre Insomnie verursacht. Dies ist eine sehr seltene erbliche Form einer Prionen-bedingten Enzephalopathie, die schnell voranschreitet, starke Schlafstörungen bis hin zur vollständigen Schlaflosigkeit verursacht und nach ersten Symptomen innerhalb weniger Monate zum Tod führt. Die Krankheitsursache ist eine Mutation im Prion-Gen, die zur Bildung eines fehlgefalteten Prion-Proteins führt, das anderen Prion-Proteinen die fehlerhafte Konformation aufzwingt, akkumuliert und letztlich die Nervenzellen schädigt.

Tierversuche zeigen, dass der Erkrankungsverlauf selbst nach Ausbruch erster Symptome noch aufgehalten werden kann, wenn die Produktion des Prion-Proteins effektiv unterdrückt wird. Das mittlere Erkrankungsalter bei Menschen liegt bei 51 Jahren. Vallabh und ihr Team befinden sich somit in einen Wettlauf mit der Zeit, um einen effektiven Weg zu finden, die Expression des Prion-Gens zu stoppen.

Expressionsstopp in 80 Prozent der Gehirnzellen

Für CHARM fusionierten die Forschenden einen Teil eines DNA-bindenden Zinkfinger-Proteins (ZFP) mit einem Teil eines Koaktivators der Säugetier-DNA-Methyltransferase 3A (DNMT3A). Mithilfe der Zinkfinger-Domäne findet CHARM die Promoterregion des Zielgens (in diesem Fall des Prion-Gens), rekrutiert und aktiviert dort über den Koaktivatoranteil die in der Zelle vorliegende DNA-Methyltransferase 3A. Diese hypermethyliert dann die Promoterregion. Dadurch kann das Gen dauerhaft nicht mehr abgelesen werden.

Ihr System testeten die Forschenden an Modellmäusen. Um die Bauanleitung für CHARM in die Zellen des Gehirns der Tiere zu schleusen, verwendeten sie Adeno-assoziierte Viren (AAV) als Vektoren, die speziell für die Überquerung der Blut-Hirn-Schranke modifiziert wurden. Eine systemische Applikation des Vektors unterdrückte in 80 Prozent der Nervenzellen im gesamten Gehirn die Produktion des Prion-Proteins, berichten die Forschenden um Edwin Neumann vom MIT. Dies sei deutlich mehr, als für einen therapeutischen Effekt benötigt werde.

Dabei wurde der Editor so konzipiert, dass seine Expression und somit auch die Aktivierung der Methyltransferase zeitlich begrenzt sind, wodurch unerwünschte Effekte minimiert werden. »Unter den Gesichtspunkten der Toxizität und der Größe war es sinnvoll, die in der Zelle bereits vorhandene Maschinerie zu nutzen«, sagt Neumann in einer Mitteilung des MIT. »Zellen verwenden bereits ständig Methyltransferasen, und wir bringen sie im Grunde nur dazu, ein Gen abzuschalten, das sie normalerweise eingeschaltet lassen würden.«

Das Team hält CHARM für einen hochwirksamen epigenetischen Editor, der klein genug ist, um ins Gehirn einzudringen und der in Zellkulturen und Tierversuchen eine geringe Toxizität und begrenzte Off-Target-Effekte hat. Die Forschenden wollen den Editor so weiterentwickeln, dass er in größerem Maßstab hergestellt werden kann, um ihn in klinischen Studien prüfen zu können. Der Weg bis zur Klinik ist aber noch lang.

Auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen einsetzbar

Gegenüber dem Nachrichtenportal des Fachjournals »Nature« sagte Vallabh, dass CHARM sie »ungemein optimistisch« stimme. Die Entwicklung von Medikamenten verlaufe in der Regel langsam, aber die Arbeit zeige, wie schnell neue Ansätze mit dem richtigen Team entwickelt werden könnten: »Es ist unglaublich, was man in kurzer Zeit alles erreichen kann.«

Der Editor kann prinzipiell auch die Produktion anderer schadhafter Proteine im Gehirn unterdrücken, die bei neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen. Beispiele sind β-Amyloid bei Alzheimer-Demenz und α-Synuclein bei Parkinson und bei Lewy-Körperchen-Demenz. Das Stilllegen der entsprechenden Gene könnte auch bei diesen weit verbreiteten Erkrankungen eine Therapieoption sein.

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