Mit Bakterien gegen Hautkrebs impfen |
Theo Dingermann |
02.05.2023 11:00 Uhr |
Staphylokokken, die Tumorantigene exprimieren, haben Forschende im Mausmodell gegen Hautkrebs eingesetzt. / Foto: Adobe Stock/PRB ARTS
Bestimmte Mitglieder der kommensalen Mikrobiota, also Mikroorganismen, die ihren Wirt benötigen, aber nicht schädigen, lösen bei der Besiedelung eine starke T-Zellen-Reaktion aus. Unter anderem führt die physiologische Kolonisierung zu einer adaptiven Immunität, ohne dass eine Infektion vorliegt. Allerdings sind die Prozesse noch wenig verstanden. Bekannt ist, dass die von S. epidermidis ausgelösten CD8+-T-Zellen die Homöostase der Haut fördern und den Wundverschluss beschleunigen, was ungewöhnliche Funktionen für eine CD8+-T-Zelle sind. Ansonsten ist diese T-Zellantwort aber unauffällig.
Nun wollte ein Team um Y. Erin Chen vom Department of Bioengineering der Stanford University wissen, ob S. epidermidis auch spezifische CD8+- beziehungsweise CD4+-T-Zellen gegen neue, von modifizierten Bakterien exprimierte Antigene zu aktivieren vermag. Dazu modifizierten die Wissenschaftler die Bakterien dahingehend, dass sie verschiedene Ovalbumin-Konstrukte exprimieren. Der Grund: Ovalbumin wurde in der Vergangenheit in viele Mäusetumorlinien integriert, darunter auch in ein aggressives Melanommodell, das die Forschenden in ihren Studien verwenden wollten. Die Ergebnisse der Untersuchungen erschienen jetzt im Fachjournal »Science«.
Demnach produzierten die modifizierten Bakterien nach Besiedelung der Haut unter physiologischen Bedingungen in vitro nachweisbare spezifische T-Zellen, die gegen die Ovalbumin-Konstrukte gerichtet waren. Diese verursachten aber keinerlei Barriereverletzungen oder Hautentzündung.
Behandelten die Forschenden dann die Haut von Mäusen mit den lebenden, gentechnisch modifizierten S.-epidermidis-Bakterien und injizierten den Tieren nach sechs Tage Melanomzellen, die Ovalbumin exprimierten, zeigte sich zeitnah eine starke Antitumoraktivität.
Auch waren die modifizierten Bakterien in der Lage, eine Immunantwort gegen einen bereits etablierten Tumor zu induzieren. Dies war selbst dann der Fall, wenn sich der Tumor bereits in der Lunge angesiedelt hatte. Auch dann ließen die durch S. epidermidis induzierten CD8+-T-Zellen den Tumor schrumpfen und verlängerten die Überlebenszeit der Mäuse. Wichtig war allerdings, dass lebende Bakterien verwendet wurden. Waren die Bakterien hitzeinaktiviert, blieb der immunologische Effekt aus.
Der neue Behandlungsansatz wurde bisher nur an Mäusen und an einem ausgewählten Tumormodell getestet. Ob er auch bei anderen Tierarten und Krebsformen funktioniert, ist noch unklar. Allerdings haben frühere Studien gezeigt, dass S. epidermidis die Bildung von CD8+-T-Zellen nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Primaten induzieren kann.
Wenn sich die Therapie als erfolgreich erweist, können die Forschenden sich vorstellen, die künstlich hergestellten kolonisierenden Bakterien zu nutzen, um eine Immunreaktion gegen eine Vielzahl von Krebsarten und Krankheiten auszulösen. Ihr Ansatz sei mit anderen Methoden zur Erzeugung tumorspezifischer T-Zellen vergleichbar, wie etwa das Ex-vivo-T-Zell-Engineering zur Herstellung von CAR-T-Zellen oder wie Tumorimpfstoffe, argumentieren die Forschenden in der Diskussion der Publikation.
Es sei noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Gleichwohl halten sie fest, dass gentechnisch veränderte S. epidermidis sicher und einfach herzustellen seien und in Kombination beispielsweise mit einer Checkpoint-Blockade zu einer starken Antitumorreaktion führten.