Mit 50 noch mit fünf Faktoren das Leben verlängern |
Theo Dingermann |
01.04.2025 10:45 Uhr |
Frauen, die ein gesundes Gewicht, normale Blutdruck- und Blutfettwerte haben, nicht Rauchen und nicht an Diabetes erkranken, können mit 14,5 zusätzlichen Lebensjahren rechnen im Vergleich zu Frauen mit all diesen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen. / © Getty Images/Westend61
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor die häufigste Todesursache weltweit. Das müsste nicht sein, da Risikofaktoren bekannt sind, die man tatsächlich auch beeinflussen kann. Tatsächlich geht man davon aus, dass fünf modifizierbare Risikofaktoren für etwa 50 Prozent der weltweiten Belastung durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich sind.
Wieviel Lebenszeit pro Person durch diese fünf Risikofaktoren (Bluthochdruck, zu hohe Cholesterinwerte, Über- oder Untergewicht, Diabetes und Nikotinkonsum) verloren geht und wieviel durch eine Veränderung des Lebensstils gewonnen werden kann, hat ein internationales Forschungsteam unter deutscher Leitung untersucht. Die Ergebnisse wurde im Wissenschaftsjournal »New England Journal of Medicine« publiziert.
Dazu analysierten Professor Dr. Christina Magnussen, stellvertretende Direktorin der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in Hamburg, zusammen mit dem Global Cardiovascular Risk Consortium auf Basis von Einzeldaten von mehr als zwei Millionen Teilnehmenden aus 133 Kohorten weltweit den Einfluss der klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren auf die lebenslange Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) und die Gesamtmortalität.
Erfasst wurden arterielle Hypertonie (≥130 mmHg systolisch), Hyperlipidämie (non-HDL-Cholesterin ≥130 mg/dl), Diabetes, Rauchen sowie Unter- oder Übergewicht (BMI <20 oder ≥25). Die Risikoprofile wurden zum Alter von 50 Jahren bestimmt, und Lebenszeitrisiken bis zum Alter von 90 Jahren geschätzt.
Die Ergebnisse zeigen, dass bei Abwesenheit aller fünf Risikofaktoren das lebenslange Risiko für CVD auf 13 Prozent bei Frauen und 21 Prozent bei Männern reduziert werden kann, verglichen mit 24 Prozent beziehungsweise 38 Prozent bei Vorliegen aller Risikofaktoren.
In Bezug auf die Gesamtmortalität betrug der lebenslange Unterschied 14,5 zusätzliche Lebensjahre für Frauen und 11,8 Jahre für Männer. Das kardiovaskulär krankheitsfreie Leben verlängerte sich um 13,3 Jahre bei Frauen und 10,6 Jahre bei Männern.
Wie relevant einzelne Risikofaktoren die Lebenszeit beeinflussen, wird dadurch erkennbar, dass bereits das Fehlen einzelner Risikofaktoren, insbesondere Diabetes oder Rauchen, mit signifikanten Zugewinnen an gesunden Lebensjahren von bis zu 6,4 Jahre assoziiert ist.
In der Studie wird deutlich, dass die Modifikation von Risikofaktoren früh, spätestens im mittleren Lebensalter zwischen 55 und 60 Jahren, einsetzen muss. So war die Absenkung des systolischen Blutdrucks unter 130 mmHg in dieser Altersgruppe mit dem größten Zugewinn an CVD-freien Lebensjahren verbunden. Für die Gesamtmortalität hatte der Verzicht auf Tabakkonsum den stärksten Einfluss. Auch die kombinierte Modifikation anderer Risikofaktoren zeigte additive Effekte.
Die Ergebnisse dieser Studie wurden mit WHO-Mortalitätsdaten kalibriert und für regionale Unterschiede durch Standardabweichungsscores angepasst. Da es sich bei den Risikofaktoren um beobachtende Assoziationen handelt, sind kausale Schlussfolgerungen nur eingeschränkt möglich, denn Störeffekte durch unbeobachtete Faktoren (wie Lebensstil, Zugang zu medizinischer Versorgung) konnten nicht ausgeschlossen werden.
Insgesamt belegt die Studie eindrucksvoll, dass klassische Risikofaktoren für CVD auch global eine erhebliche Relevanz für die Lebenserwartung besitzen. Die Prävention oder Kontrolle dieser Faktoren bereits im mittleren Lebensalter hat potenziell lebensverlängernde Wirkung und betont die Dringlichkeit globaler, personalisierter Präventionsstrategien.
Professor Dr. Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, äußert sich gegenüber dem Science Media Center: »Die Studie bestätigt eindrucksvoll die Bedeutung der fünf Risikofaktoren Rauchen, Blutdruck, Cholesterin, Diabetes mellitus sowie Über- und Untergewicht.«
Professor Dr. Andreas Zeiher, außerordentlicher Professor für Kardiologie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, ergänzt: »In meinen Augen ist die Studie aus einem besonderen Grund relevant: Sie untersucht den Einfluss von ‚modifizierbaren‘ Risikofaktoren auf die Lebenserwartung und zeigt eindrucksvoll, dass eine Blutdruckkontrolle innerhalb von Normwerten und ein Rauch-Stopp auch im Alter von 55 bis 60 Jahren einen bedeutsamen Effekt hinsichtlich ‚gewonnener‘ Lebensjahre nach sich ziehen.«