Ministerin mit offenen Ohren |
| Annette Rößler |
| 10.11.2025 12:30 Uhr |
Diese Worte richteten sich vor allem an die Landesministerin, die nach eigenem Bekunden gekommen war, »um zuzuhören und Anregungen mitzunehmen«. Es wirkte jedoch, als sei bei ihr gar keine Überzeugungsarbeit vonnöten, denn von der Decken erkannte gleich zu Beginn die unverzichtbare Rolle der Apotheken in der Gesundheitsversorung an. Diese könne nicht beschnitten werden, ohne dass dies Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung der Bevölkerung habe. Aus ihrer Sicht sei der Stellenwert der Apotheken sogar gleichbedeutend mit dem der ärztlichen Versorgung.
»Wir sprechen immer wieder über eine enge sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung. Das ist zwar richtig und wichtig. Aber was viel zu wenig diskutiert wird, ist die vielseitige Kooperation zwischen der niedergelassenen Ärzteschaft und den Apotheken. Sie muss viel mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Denn diese Partnerschaft garantiert die Versorgung – trotz der bestehenden Lieferengpässe.« Dass Apotheken ein Rückgrat der Gesundheitsversorgung darstellten, zeige sich etwa auch bei der Heimversorgung und im Nacht- und Notdienst. »Bundesweit helfen die Apotheken etwa 20.000 Menschen pro Nacht«, sagte die Ministerin.
»Wir möchten diese Versorgungsstärke und diesen essenziellen Bestandteil unseres Gesundheitswesens erhalten.« Die Bundesländer hätten sich daher auf der Gesundheitsministerkonferenz im Juni 2025 für den Erhalt der inhabergeführten Apotheke stark gemacht und auf die zeitnahe Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen gedrungen. Dies sei einstimmig geschehen – und »es kommt nicht oft vor, dass die Bundesländer einstimmige Beschlüsse fassen«, sagte von der Decken. Allerdings seien für die wesentlichen Regelungen rund um die Apotheken nicht die Länder zuständig, sondern der Bund und zum Teil Europa.
Das Bundesland Schleswig-Holstein habe zu dem vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegten Referentenentwurf für eine Apothekenreform Stellung bezogen. »Einige Punkte sehen wir positiv.« Dazu zählten die erleichterte Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen, die Erleichterung der Dokumentationspflichten beim Einzelimport, die Aufhebung des Skontoverbots, die erleichterte Austauschbarkeit von rabattierten Arzneimitteln, die Übertragung der Filialleitung auf zwei Apothekerinnen oder Apotheker und die vorgesehene Zusammenarbeit zwischen Apotheker- und Ärzteschaft über die elektronische Patientenakte.
Kritisch sehe die schleswig-holsteinische Landesregierung dagegen die nicht erfolgte einmalige Erhöhung des Packungsfixums vor der Einführung des Verhandlungslösung zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband, die erleichterte Gründung und Umwandlung von Zweigapotheken, die befristete Vertretung und damit auch Leitung durch qualifizierte PTA, die Streichung der wissenschaftlichen Hilfsmittel, die Aufhebung der ständigen Dienstbereitschaft und die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bei unkomplizierten Erkrankungen. »Die meisten der Punkte, die wir kritisch sehen, sind nicht neu«, so die Ministerin. Sie seien im Vorgängerentwurf bereits enthalten gewesen. »Wir haben uns damals kritisch dazu geäußert und dabei bleiben wir.«
Es sei ungewiss, inwieweit die Reform langfristig tragfähige wirtschaftliche Bedingungen zur Sicherstellung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung schaffen könne. »Wir arbeiten als Länder weiter daran, den Bund diesbezüglich in die richtige Bahn zu lenken«, versprach von der Decken. »Wir sind zwar nur die Länder. Aber wir haben in unserem demokratischen, föderalen Gefüge die eine oder andere Einflussmöglichkeit.« Noch sei Zeit. »Wir befinden uns erst im Stadium der Referentenentwürfe. Es kommen noch Kabinettsentwürfe, Kabinettsbeschlüsse, der Bundestag und der Bundesrat. Wir sind also am Anfang des Prozesses.«
Die Apotheker hörten diese Botschaft gerne, wie die anschließende Diskussion zeigte. Der Nachwuchsmangel, die drückende Konkurrenz durch den Versandhandel – demnächst auch durch dm und Co. –, die Schwierigkeiten im Alltag durch Lieferengpässe, verzögert abrufbare E-Rezepte und vor allem die wirtschaftlichen Nöte: All dies brachten die anwesenden Kolleginnen und Kollegen der Ministerin anhand vieler konkreter Beispiele näher. »Wir sind mit unserem Latein am Ende. Die Frustration innerhalb des Berufsstandes ist riesig«, lautete der Tenor.
Wie schwierig die Situation tatsächlich ist, zeigte auch der Geschäftsbericht von Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein. 13 Apothekenschließungen in dem Bundesland seit der letzten Mitgliederversammlung stand demnach lediglich eine Neueröffnung im selben Zeitraum gegenüber. Gleichzeitig wuchs die Bevölkerung des Landes. »Wir haben immer mehr Menschen zu versorgen mit immer weniger Apotheken und einem Honorar von 2013, das eigentlich das Honorar von 2002 ist«, brachte Zwenke es auf den Punkt. Die weniger werdenden Offizinen hätten immer mehr Arbeit zu leisten, ohne dass diese wirtschaftlich auskömmlicher werde.