Ministerin Gerlach auf einer Linie mit den Apothekern |
Brigitte M. Gensthaler |
10.06.2024 10:30 Uhr |
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach bei der Eröffnung des Bayerischen Apothekertags in der Münchner Residenz / Foto: BLAK/Schulz
»Unser gemeinsames Ziel ist eine gute Gesundheitsversorgung auf dem Land und in den Städten«, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) bei der Eröffnung des Bayerischen Apothekertags (BAT). »Was Sie in den Apotheken leisten, ist unschlagbar. Die Versorgung mit Arzneimitteln und Rezepturen, Nacht- und Notdienst, Entlastung der Ärzte – das alles können nur die Apotheken.« Eine flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Arzneimitteln gelinge aber nur, wenn die Vergütung der Apotheken endlich an die gestiegenen Kosten von Personal und Energie sowie an die Inflation angepasst werde.
Die Ministerin sprach das Apothekensterben an: Auch in Bayern sei der Rückgang besorgniserregend. Natürlich müsse das Gesundheitssystem finanzierbar sein und bleiben. Aber nur 1,9 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben entfielen auf die Apotheken. »Dann kann es nicht sein, dass genau hier gespart wird.«
Die geplante Apothekenreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gefährde die Versorgung vor Ort, rügte Gerlach. »Das Papier ist nicht geeignet, die Zukunft der Apotheke in Deutschland zu sichern.« Statt einer Umverteilung des Geldes – eine »Mogelpackung« – müssten die Festzuschläge erhöht werden, damit Leistungen der inhabergeführten öffentlichen Apotheken wieder angemessen honoriert würden. »Wenn das Apothekensterben gestoppt werden soll, ist das das entscheidende Instrument«, so die Ministerin. Zudem müsse die Erhöhung des Apothekenabschlags im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wieder gestrichen werden.
Von »Video-Apotheken«, die von einer PTA geleitet werden, hält Gerlach nichts. Dies werde die Beratung und Versorgung eher verschlechtern. »Wenn ich Beratung brauche, möchte ich einen Apotheker oder eine Apothekerin vor Ort haben.« Dies sei auf dem Land und für vulnerable Gruppen besonders wichtig. Digitalisierung solle das Leben einfacher und besser machen, aber nicht zu Unsicherheiten und Qualitätseinbußen führen.
Gerlach forderte Bundesgesundheitsminister Lauterbach ausdrücklich auf, »noch heuer alles zu tun, um die Leistungsfähigkeit der Apotheken zu sichern«. Bayern werde sich hier weiterhin einbringen und die Apotheken stark unterstützen. Für ihre Zusagen erhielt die Ministerin großen Beifall.
Wie Gerlach sorgt sich auch Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, um das Apothekennetz. In Bayern gibt es aktuell 2756 öffentliche Apotheken. Im Jahr 2023 haben 106 Apotheken und seit Beginn 2024 weitere 34 geschlossen. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung werde durch die sinkende Apothekenzahl gefährdet – zum klaren Nachteil der Patienten.
Das Eckpunktepapier lasse jegliche adäquate Wertschätzung des Berufsstands vermissen, beklagte Benkert beim BAT. Das Wertvollste für Apotheker sei die uneingeschränkte Verantwortung für die Arzneimittelversorgung. »Apotheken ohne Apotheker darf es nicht geben«, rief Benkert aus. Das sei eine rote Linie für den Berufsstand. »Das ist der Verkauf unserer Berufsfreiheit, unseres Selbstverständnisses und zudem verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.« Der Staat sei in der Verantwortung, den Gesundheitsschutz und die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten.
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands (BAV), bezeichnete die wirtschaftliche Situation der Apotheken als sehr ernst, in manchen Teilen dramatisch. Auch dem Fachkräftemangel in Apotheken könne man nur mit wettbewerbsfähigen Gehältern begegnen. Steigende Kosten bei gleichzeitig sinkender Vergütung – das sei »existenzgefährdend und toxisch«.
Der BAV-Chef forderte »spürbare wirtschaftliche Verbesserungen in einer Höhe, die alle Parameter wie Inflationsausgleich, Leistungsausweitung und Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung berücksichtigt«. Es sei allerhöchste Zeit dafür. Neben dem angemessenen Honorar für die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Menschen benötige der Berufsstand mehr Handlungsfreiheit bei der Abgabe und deutlich weniger Bürokratie und Gängelung.