Miniatur-Lebern in Patienten züchten |
Christina Hohmann-Jeddi |
08.04.2024 09:00 Uhr |
In den USA hat ein leberkranker Patient aufbereitete Leberzellen eines Spenders erhalten, die bei ihm Mini-Ersatzorgane bilden sollen. / Foto: Lygenesis
Bei Patienten mit Leberversagen hilft meist nur noch eine Organtransplantation. Doch die Spenderorgane sind knapp. Hier könnte eine regenerative Zelltherapie helfen, die Forschende des Biotech-Unternehmens Lygenesis mit Sitz in Pittsburgh, Pennsylvania, entwickelt haben. Sie besteht aus gesunden Leberzellen von Spendern, die leberkranken Patienten in die Lymphknoten injiziert werden. Dort sollen sie sich mit der Zeit vermehren und eine Miniatur-Leber bilden.
Der erste Patient sei zum Start einer Phase-IIa-Studie mit einer allogenen Zelltransplantation behandelt worden, teilte das Unternehmen am 2. April mit. »In einer medizinischen Premiere haben wir jetzt unseren ersten Patienten in einer klinischen Studie behandelt, der seine eigenen Lymphknoten als lebende Bioreaktoren zur Regeneration eines ektopischen Organs verwendet«, sagte Dr. Michael Hufford, Mitbegründer und Geschäftsführer von Lygenesis. Für die offene, dosiseskalierende klinische Studie plant das Unternehmen, zwölf Patienten mit Lebererkrankung im Endstadium zu rekrutieren.
Verwendet werden laut Lygenesis gespendete, ansonsten unveränderte Leberzellen, die in einem komplexen, mehrstufigen Verfahren isoliert und in einer Lösung suspendiert werden. Diese werden minimalinvasiv in die Oberbauchlymphknoten der Patienten transplantiert. Die Lymphknoten fungieren dann als In-vivo-Bioreaktoren, die den Hepatozyten helfen, sich einzunisten, zu vermehren und funktionelles Lebergewebe zu bilden. Gentechnik kommt bei dem Verfahren nicht zum Einsatz.
Lymphknoten, die ein Teil des Immunsystems sind, seien ideal für diese Aufgabe, erklärt Hufford gegenüber der Nachrichtenseite des Journals »Nature«. Denn sie seien stark durchblutet und es gebe Hunderte von ihnen im ganzen Körper. »Wenn einige von ihnen zur Erzeugung von Mini-Lebern verwendet werden, können viele andere weiterhin als Lymphknoten fungieren.«
Das Verfahren hatte das Team zuvor bereits in Mäusen und Schweinen getestet. In einer 2020 erschienen Arbeit induzierten die Forschenden bei Schweinen ein subakutes Leberversagen und transplantierten den Tieren dann autologe (eigene) Hepatozyten durch direkte Zellinjektion in Bauchlymphknoten. Nach zwei Monaten waren bei allen behandelten Tieren die Hepatozyten erfolgreich angewachsen, wobei das Ausmaß der neuen Lebermasse proportional zur induzierten ursprünglichen Leberschädigung war. »Diese ektopischen Lebern zeigten bemerkenswerte histologische Merkmale der Leberlappen von Schweinen, einschließlich der Bildung von Sinusoiden und Gallengängen«, berichtete das Team im Journal »Liver Transplantation«.
Dass die Lebermasse vom Ausmaß der Schäden abhängt, liegt daran, dass die transplantierten Zellen »Notsignale« der geschädigten Leberzellen benötigen, um zu wachsen. Daher sei auch nicht zu befürchten, dass die Mini-Lebern in den Lymphknoten zu groß würden. Sobald die Ersatzorgane das Blut filterten, würden die wachstumsfördernden Signale schwächer, erklärt Hufford gegenüber »Nature«.
Bei der jetzt gestarteten klinischen Studie soll jeder Patient über einen Zeitraum von einem Jahr durch Nachuntersuchungen engmaschig überwacht werden. Die Studie soll die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit der transplantierten allogenen Hepatozyten untersuchen und auch die geeignete Zahl an Miniatur-Lebern ermitteln, die für die Filterfunktion nötig sind. Erste Ergebnisse werden für 2026 erwartet.
»Wenn unsere Studie erfolgreich ist und wir die FDA-Zulassung erhalten, könnte unsere allogene Zelltherapie es ermöglichen, mit einer gespendeten Leber viele Dutzend Patienten mit Lebererkrankung im Endstadium zu behandeln, was dazu beitragen könnte, das derzeitige Ungleichgewicht zwischen Organangebot und -nachfrage zugunsten der Patienten zu kippen«, so Hufford.
Entsprechende Ansätze, bei denen Ersatzorgane in den Lymphknoten gezogen werden, entwickelt Lygenesis auch für Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und der Nieren. Diese befinden sich noch in der Präklinik.