Mindestlohn-Vorstoß beeinflusst Tarifgespräche |
Cornelia Dölger |
16.05.2024 09:00 Uhr |
Bundeskanzler Olaf Scholz plädierte in einem Interview mit dem »Stern« für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Seit dem 1. Januar 2024 beträgt der Mindestlohn 12,41 Euro brutto/Stunde. Zum 1. Januar 2025 steigt er auf 12,82 Euro. / Foto: IMAGO/Political-Moments
Scholz hatte in einem Interview mit dem »Stern« für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro plädiert. »Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben«, hatte Scholz dem Magazin gesagt. Gleichzeitig übte er Kritik an der Mindestlohnkommission. Die Arbeitgeber hätten nur »auf einer Mini-Anpassung beharrt«, so der Kanzler. Zudem hätten sie nicht einvernehmlich entschieden, so Scholz.
Thomas Rochell, Vorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) sowie des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA), sieht im Vorstoß des Bundeskanzlers wenig Substanz. Von einem sozialdemokratischen Bundeskanzler sei zu erwarten, dass er sich für höhere Mindestlöhne einsetze, so Rochell zur PZ. Scholz‘ Forderung sei aber »nicht zu Ende gedacht«, da ihr der Bezug zum Gesundheitssystem, konkret zur Apothekenbranche fehle, die seit 20 Jahren mit eingefrorenem Honorar auskommen müsse.
Die Apotheken könnten daher eine solche Erhöhung ohne eine deutliche Anpassung ihrer staatlich geregelten Vergütung gar nicht finanzieren. Ohne Ideen, wie mehr Geld ins System gelangen könne, seien Rufe nach höheren Löhnen »Wahlkampfgetöse« und führten dazu, dass sich die Tarifdiskussion »im Kreis drehe, ohne die Probleme lösen zu können«.
Die Bundesregierung müsse sich endlich mit dem Apothekenhonorar auseinandersetzen, so Rochell. Im Fall der Apothekenbeschäftigten habe sie sogar Handlungsmöglichkeiten, unter anderem indem sie das Fixum endlich erhöhe und eine Lösung für die Skonti-Problematik finde. »Für die Höhe des Mindestlohnes ist die Bundesregierung hingegen gar nicht zuständig, das ist Aufgabe der Mindestlohnkommission«, so Rochell.
Ähnlich hatten weitere Arbeitgeberverbände sowie die CDU auf den Vorstoß reagiert. So sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete und Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion MIT, Gitta Connemann, dem »Spiegel«, Scholz politisiere damit die Lohnfindung. Auch der Arbeitgeberverband BDA warf Scholz eine zu starke Einmischung in die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission vor.
Die Apothekengewerkschaft Adexa sieht in dem Vorstoß eine Aufforderung an die Arbeitgeber, sich in den Tarifverhandlungen zu bewegen. Derzeit sind die Gespräche, die die Adexa mit dem ADA sowie, für die Region Nordhrein, mit der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL Nordrhein) führt, festgefahren. ADA wie TGL führen an, dass ohne Erhöhung des gesetzlich festgeschriebenen Fixums kein Spielraum für höhere Angestelltengehälter vorhanden sei. Die Adexa fordert 11,5 Prozent (Nordrhein) beziehungsweise 10,5 Prozent mehr Lohn für alle Berufsgruppen.
Die Mindestlohnforderung zunächst auf 14, dann auf 15 Euro machten die Gehaltsniveaus bei den Apothekenangestellten deutlich. »Die beiden Zahlen zeigen auch: Tarifgehälter für PKA und selbst für die unteren Berufsjahresgruppen der PTA liegen derzeit im Niedriglohnbereich«, so Adexa-Vorstand Andreas May zur PZ. »Und damit ist das gesamte Gehaltsgefüge in den öffentlichen Apotheken betroffen. Darauf werden wir die Politik in den anstehenden Gesprächen wieder hinweisen.« Tanja Kratt, Leiterin der Adexa-Tarifkommission, ergänzte, auf das Szenario müssten sich aber auch die Arbeitgeber einstellen. Zumindest die erste Stufe noch in dieser Legislaturperiode sei nicht unwahrscheinlich.
Der Stundenlohn für PTA für den Tarifbereich TGL Nordrhein liegt derzeit bei 13,56 Euro (1.-2. Berufsjahr) beziehungsweise 17,09 Euro (ab 10. Berufsjahr, in der obersten Tarifstufe). PKA bekommen 12,24 Euro (1.-2. Berufsjahr), womit sie unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, beziehungsweise 14,47 Euro (ab dem 10. Berufsjahr, oberste Tarifstufe).
PTA im ADA-Tarifbereich bekommen 13,98 Euro (1.-2 Berufsjahr) beziehungsweise 17,76 Euro (ab dem 10. Berufsjahr, oberste Tarifstufe). Der Stundenlohn für PKA liegt bei 12,46 Euro (1.-2 Berufsjahr) beziehungsweise 14,95 Euro (ab dem 10. Berufsjahr, oberste Tarifstufe).
Seit dem 1. Januar 2024 beträgt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland 12,41 Euro brutto/Stunde. Zum 1. Januar 2025 steigt der Wert auf 12,82 Euro. Seine Höhe wird alle zwei Jahre von der so genannten Mindestlohnkommission, einer ständigen Kommission der Tarifpartner, überprüft. Zuletzt fasste die Kommission am 26. Juni 2023 ihren vierten Beschluss, der die Anpassung ab 1. Januar 2024 vorsah. Die Bundesregierung kann die Höhe per Rechtsverordnung ändern. Den gesetzlichen Mindestlohn gibt es seit 2015. Er gilt, mit wenigen Ausnahmen, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.