Metformin könnte HIV-Therapie effizienter machen |
Laura Rudolph |
10.10.2024 13:00 Uhr |
Möglicherweise könnte Metformin die antiretrovirale Therapie (ART) bei HIV-Infektion unterstützen, indem es latent infizierte Zellen, die sich der ART entziehen, besser zugänglich für den Angriff durch Immunzellen macht. / © Adobe Stock/Soni’s
Eine ART, die bei einer HIV-Infektion zum Einsatz kommt, kombiniert verschiedene Arzneistoffe, die an unterschiedlichen Stellen im Replikationszyklus des HI-Virus angreifen. Durchgehend und lebenslang angewendet, senkt sie die Konzentration der viralen RNA im Blut unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien pro Milliliter.
Das Virus durch eine ART vollständig zu eliminieren, ist bisher jedoch noch nicht gelungen, da HI-Viren bis zu Jahrzehnten in T-Zellen passiv in sogenannten Reservoirs verweilen können, ohne sich zu vermehren. Damit entziehen sie sich sowohl dem Angriff durch die ART als auch durch das Immunsystem und können bei einer Therapieunterbrechung jederzeit wieder aktiv werden.
Das Antidiabetikum Metformin könnte dem Immunsystem helfen, unter einer ART HI-Viren in solchen Reservoirs zu bekämpfen. Das legt eine neue In-vitro-Studie von Forschenden des Universitätsklinikums in Montréal in Kanada nahe. Demnach fördert Metformin über verschiedene Mechanismen eine Antikörper-vermittelte, zytotoxische Reaktion, die sich gegen die latent infizierten T-Zellen richtet. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal »iScience« veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.isci.2024.110670).
Bereits im Jahr 2021 hatte das Team unter der Leitung von Professor Dr. Petronela Ancuta Hinweise darauf gefunden, dass Metformin bei zwölfwöchiger Einnahme zusätzlich zur ART die chronische Entzündung hemmen könnte, die mit HIV einhergeht (»eBioMedicine«, DOI: 10.1016/j.ebiom.2021.103270). In einer Folgestudie untersuchte es nun in vitro die molekularen Wirkmechanismen von Metformin auf die HIV-Replikation in CD4+-T-Lymphozyten, den Zielzellen des Virus.
Das Team analysierte Gewebeproben von HIV-Patienten, die eine ART erhielten, sowie in vitro mit HIV infizierte CD4+-T-Lymphozyten. Nach der Behandlung der Zelllinien mit Metformin beobachtete es, dass sich die Anzahl der infizierten Zellen erhöhte. Diese produzierten zudem vermehrt das HI-Virusprotein p24, das für den Aufbau der Hülle, die das HIV-Genmaterial umgibt, essenziell ist.
Anders als erwartet, nahm jedoch die Menge der freigesetzten Virionen ab. »Die Ergebnisse unserer In-vitro-Tests an Zellen von Menschen, die mit HIV leben und mit einer antiretroviralen Therapie behandelt werden, haben uns zunächst überrascht«, kommentiert Studienleiterin Ancuta in einer Pressemitteilung. »Wir entdeckten, dass Metformin sowohl eine provirale als auch eine antivirale Wirkung hat.« Die Mechanismen, durch die Metformin die Häufigkeit von aktiv HIV-infizierten Zellen erhöht, ohne dass es zu einer proportionalen Erhöhung der Virusfreisetzung kommt, müssen nun noch untersucht werden.
Die Forschenden stellen jedoch Theorien auf. So beobachteten sie, dass die produzierten Virionen bei dem Versuch, aus der Wirtszelle auszutreten, auf deren Oberfläche haften blieben. Dies könnte auf eine durch Metformin erhöhte Expression des Proteins BST2 zurückzuführen sein, das die Virionen auf der Zelloberfläche der infizierten T-Zelle bindet. Die verlängerte Verweildauer der Viruspartikel auf der Wirtszelloberfläche erleichtert es dem Immunsystem, die infizierten Zellen zu lokalisieren und sie mit Antikörpern zu neutralisieren oder mit natürlichen Killerzellen abzutöten.
Diese Antikörper-vermittelte Zytotoxizität könnte dazu beitragen, die Anzahl von Virusreservoirs unter einer ART zu verringern. Die Forschenden wollen in einem weiteren Schritt die Anwendung einer Kombination aus ART, Metformin und HIV-Antikörpern in klinischen Studien testen.