Merz scheitert im ersten Wahlgang |
Cornelia Dölger |
06.05.2025 10:40 Uhr |
Sechs Stimmen fehlten Merz für die nötige Mehrheit. / © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Der CDU-Parteichef erhielt in geheimer Abstimmung 310 Ja-Stimmen und damit sechs weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner verkündete: »Der Abgeordnete Friedrich Merz hat die erforderliche Mehrheit von mindestens 316 Stimmen nicht erreicht. Er ist gemäß Artikel 63 Absatz zwei des Grundgesetzes zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland nicht gewählt.«
Die Fraktionen beraten nun, wie sie weiter vorgehen wollen. Das Grundgesetz sieht für diesen Fall klare Regeln vor. In Artikel 63 ist festgelegt: »Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen 14 Tagen nach dem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.«
Dass Union und SPD insgesamt nur 12 Stimmen über der Kanzlermehrheit haben, hatte zuvor für nicht allzu viele Bedenken gesorgt. Merz und SPD-Parteichef Lars Klingbeil hatten sich bis zuletzt optimistisch gezeigt, dass es eine klare Mehrheit für Merz geben werde. Klingbeil hatte betont, er gehe fest davon aus, dass alle Sozialdemokraten am Dienstag für Merz stimmen werden.
Ähnlich optimistisch wie Klingbeil hatte sich Merz geäußert. Er rechne damit, das »alle da sein werden und alle zustimmen werden«. Tatsächlich waren alle Abgeordneten von Union und SPD anwesend, wie nach Sonderfraktionssitzungen festgestellt wurde.
Gestern Nachmittag hatte Merz eigens die SPD-Fraktion besucht, um für sich zu werben. Er dankte Olaf Scholz ausdrücklich für seine Arbeit und sicherte den Sozialdemokraten zudem zu, dass es keine Ausschussvorsitzenden sowie Bundestagsvizepräsidenten der AfD geben werde. Dem Vernehmen nach soll der Applaus dennoch verhalten gewesen sein.
Nach dem knappen Scheitern braucht Merz nun mindestens einen weiteren Anlauf. Innerhalb von zwei Wochen ist ein zweiter Wahlgang möglich oder auch mehrere. Es können sich dabei theoretisch auch alternative Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stellen. Wenn es nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist noch immer keine Kanzlermehrheit gibt, reicht in einem nächsten Wahlgang eine einfache Mehrheit, also die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Abgeordneten.
Hat der oder die Gewählte die Kanzlermehrheit erhalten, ernennt der Bundespräsident ihn oder sie binnen sieben Tagen nach der Wahl. Gab es nur eine einfache Mehrheit, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen ansetzen.
Gestern hatte Jens Spahn bei seiner Wahl zum Unionsfraktionschef einen kleinen Dämpfer hinnehmen müssen. Zwar bekam 197 Ja-, aber auch 17 Gegenstimmen aus der Unionsfraktion, außerdem zwei Enthaltungen. Zudem hatten elf Abgeordnete bei der Wahl gefehlt.
Als finaler Schritt der Regierungsbildung war gestern der Koalitionsvertrag unterzeichnet worden, zudem hatte die SPD ihre Ministerinnen und Minister vorgestellt. CDU und CSU hatten ihr Top-Personal schon zuvor bekannt gegeben. Die CDU-Politikerin Nina Warken aus Baden-Württemberg soll die Nachfolge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) antreten.
Mit der Kanzlerwahl und der anschließenden Vereidigung des neuen Kabinetts sollte endlich die Regierungsarbeit aufgenommen werden, um die Hängepartie nach dem Ampelbruch im vergangenen November zu beenden.