Merz hält Koalitionsvertrag für unzureichend |
Lukas Brockfeld |
02.05.2025 13:00 Uhr |
Friedrich Merz auf dem kleinen Parteitag der CDU. / © IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Steigende Behandlungskosten und der demografische Wandel setzten das deutsche Gesundheitswesen zunehmend unter Druck. Das bekommt besonders die Gesetzliche Krankenversicherung zu spüren, die im vergangenen Jahr ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro verzeichnete. Fast alle Krankenkassen haben daher ihre Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel deutlich erhöht. Doch schon jetzt zeichnen sich weitere Beitragserhöhungen ab, die die Versicherten und die Arbeitgeber spürbar belasten dürften.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag wird das Thema nur kurz angeschnitten. Union und SPD erklären lediglich, dass sie die Einnahmen der GKV durch ein höheres Beschäftigungsniveau steigern und gleichzeitig die Ausgaben reduzieren wollen. Eine Expertenkommission soll die Ausgaben der GKV prüfen und im Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen vorschlagen. Immerhin: Die Mittel für den Transformationsfonds der Krankenhäuser sollen künftig aus dem Sondervermögen Infrastruktur stammen. Die GKV wird so jährlich um 2,5 Milliarden Euro entlastet.
Angesichts der globalen Lage erscheint es unwahrscheinlich, dass Wirtschaftswachstum kurzfristig neue Einnahmen für die Sozialsysteme erzeugt. Viele Ökonomen befürchten das dritte Rezessionsjahr in Folge. Bis zur Umsetzung möglicher Sparmaßnahmen, die erst in zwei Jahren als Ideen vorgestellt werden sollen, dürfte viel Zeit vergehen.
Schon Mitte April erklärte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland die ernste Lage der Kassen. »Wir haben Rekordbeitragssätze, wir haben nur noch sieben Prozent einer Monatsausgabe als Reserve, in den letzten zwei Monaten gab es sechs weitere Beitragssatzerhöhungen und die einzige Antwort darauf scheint eine Kommission zu sein, die erst im Frühjahr 2027 Ergebnisse vorlegen soll«, klagte Pfeiffer.
Friedrich Merz hat inzwischen eingeräumt, dass die in den Koalitionsverhandlungen beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen werden. Auf dem kleinen Parteitag der CDU erklärte er, dass Deutschland die Spirale immer höherer Sozialversicherungsbeiträge dringend durchbrechen müsse. »Wir müssen weitere Reformen ermöglichen und zur Diskussion stellen, die über das hinausgehen, was wir im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben. Das wird möglicherweise die größte gesellschaftspolitische Aufgabe der vor uns liegenden Koalition werden«, erklärte der designierte Bundeskanzler.
In Richtung seines Koalitionspartners SPD sagte Merz, dass sich die Probleme des Gesundheitssystems nicht allein mit mehr Geld und höheren Beiträgen lösen ließen. »Wir brauchen mehr Eigenverantwortung im System und wir brauchen wesentlich höhere Effizienzen«, so der CDU-Vorsitzende. Die Qualität des deutschen Sozialstaats hänge entscheidend an der Qualität der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungen.
Auf Nachfrage der PZ betonte auch der GKV-Spitzenverband die Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen zur Finanzstabilisierung. »Noch vor der Sommerpause sollte im Rahmen eines Vorschaltgesetzes ein verbindliches Ausgabenmoratorium kommen. Ebenfalls sollte darin geregelt werden, dass die medizinische Versorgung der Bürgergeldbeziehenden endlich fair über Steuergelder finanziert wird«, erklärte Pressesprecher Florian Lanz
Doch das Ausgabenmoratorium alleine reiche nicht aus. »Mittel- und langfristig geht an durchgreifenden Strukturreformen in unserem Gesundheitswesen nichts vorbei , damit sich das medizinische und pflegerische Versorgungsangebot verstärkt nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten richtet und finanzielle und personelle Ressourcen sinnvoll und effizient eingesetzt werden«, sagte Lanz.
Auch von den einzelnen Krankenkassen gibt es deutliche Kritik an dem Koalitionsvertrag. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, wandte sich am Montag direkt an die designierte Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Sie betonte, dass die künftige Bundesregierung keine Zeit verlieren dürfe. »Erste wirksame Maßnahmen zur Beitragssatzstabilisierung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung müssen sofort eingeleitet werden. Dann kann die umfassendere Kommissionsarbeit zur systematischen Stärkung der GKV- und SPV-Finanzen darauf aufbauen«, so Reimann.