Menstruation als Risikofaktor |
Laura Rudolph |
20.12.2023 13:00 Uhr |
Frauen kann die Zeit vor und während der Menstruation stark auf die Stimmung schlagen. Auf Patientinnen mit psychiatrischen Erkrankungen sollte man in dieser Zeit ein besonders aufmerksames Auge haben. / Foto: Getty Images/ simpson33
Frauen, die in der Vergangenheit Suizidgedanken hatten, haben in der prämenstruellen Phase und während der ersten Tage der Menstruation möglicherweise ein erhöhtes Risiko für suizidale Gedanken oder Verhaltensweisen. Dies legt neben früheren Studien nun auch eine aktuelle Publikation nahe, die kürzlich im Fachjournal »American Journal of Psychiatry« erschienen ist. Es ist die erste Längsschnittstudie zum Thema.
Die Menstruation sei einer der wenigen vorhersehbaren Risikofaktoren, der darauf hinweisen könnte, wann ein Suizidversuch wahrscheinlicher ist, betont Seniorautorin Professor Dr. Eisenlohr-Moul in einer Pressemitteilung. Ärzte beziehungsweise Bezugspersonen sollten suizidgefährdete Patientinnen in dieser Zeit daher besonders aufmerksam betreuen.
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In die Studie wurden 119 Frauen einbezogen, die in psychiatrischer Behandlung waren und in den letzten Monaten Suizidgedanken hatten. Die Frauen füllten über mindestens einen Menstruationszyklus hinweg täglich Fragebögen aus, in denen sie Angaben über Gefühle wie Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Angst oder Überforderung machten. Sie sollten auch notieren, wenn sie an Suizid dachten. Die Forschenden um Dr. Jaclyn Ross und Jordan Barone überprüften mittels statistischer Modelle, ob der Menstruationszyklus die täglichen psychiatrischen Symptome beeinflusste und wie diese mit Suizidgedanken und -plänen zusammenhingen.
Es zeigte sich, dass zwar die meisten Patientinnen über eine deutliche Zunahme von psychiatrischen Symptomen wie Depression, Angst und Hoffnungslosigkeit in der prämenstruellen Phase sowie während der ersten Tage der Menstruation berichteten; jedoch reagierte nicht jede Studienteilnehmerin nach diesem Muster. »Nicht jede Frau reagiert auf den Hormonzyklus auf die gleiche Weise, und wir konnten statistisch zeigen, wie wichtig es ist, individuelle Unterschiede in unsere Modelle einzubeziehen«, betont Barone in einer Pressemitteilung.
Auch bei den spezifischen Symptomen, die in der Studie mit suizidalen Gedanken zusammenhingen, gab es individuelle Unterschiede. »Die Frauen unterschieden sich darin, welche emotionalen Symptome bei ihnen am stärksten mit Suizidalität korrelierten«, so Eisenlohr-Moul.
Ursächlich für das tendenziell erhöhte Suizidrisiko kurz vor und während der Menstruation könnte eine erhöhte Hormonsensitivität und Empfindlichkeit gegenüber Schwankungen von Östrogenen und Progesteron sein, vermutet die Forschergruppe, die auch am prämenstruellen dysphorischen Syndrom (PMDS) forscht. Dieses ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für suizidale Gedanken und Verhaltensweisen verbunden.
Die aktuelle Studie hat jedoch nur wenige Frauen untersucht und der Studienzeitraum war kurz. Um zu verstehen, wie der Menstruationszyklus das akute Risiko für suizidale Gedanken und Verhaltensweisen beeinflussen kann und wie Patientinnen am besten geschützt werden können, sind weitere Studien notwendig.