Mehrheit für Primärarztsystem |
Wer einen Termin beim Facharzt braucht, muss oft Geduld beweisen. Eine gezielte Steuerung der Termine über Primärarztpraxen soll dies verbessern. / © Imago images/Panthermedia
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat die Reform der Primärversorgung zu einem zentralen Ziel ihrer Amtszeit erklärt. Dabei sollen sogenannte Primärversorgungspraxen als verlässlicher Anlaufpunkt fungieren, über welche der Zugang zu Fachärztinnen und -ärzten gesteuert wird. Eine aktuelle repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes zeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung mit 55 Prozent dem Vorschlag zustimmt, dass Facharzttermine nur nach Überweisung vergeben werden sollen, wobei Termine bei Zahn-, Frauen- und Kinderärzten davon ausgenommen wären.
»Das ist eine gute Ausgangslage für die angestrebte Reform«, teilte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, mit. »Gleichzeitig müssen wir aber darauf achten, auch die Bedenken der ebenfalls relativ großen Gruppe von knapp 40 Prozent der Befragten, die nicht damit einverstanden sind, ernst zu nehmen.«
Die Verantwortlichen müssten laut Reimann deutlich machen, dass eine gezielte Steuerung Vorteile für alle gesetzlich Versicherten bringe. Ein solches System könne in erster Linie für schnellere Facharzttermine nach Bedarf und Dringlichkeit sowie eine effizientere Nutzung der Ressourcen sorgen. Das sei mit Blick auf die Beitragssatzentwicklung, aber auch wegen des Fachkräftemangels und der Überalterung der Gesellschaft essentiell.
Die Vorständin verweist zudem auf die hohe Anzahl an Befragten, die zu 81 Prozent angegeben haben, sich eine am Bedarf ausgerichtete Terminvergabe zu wünschen. »Das macht mehr als deutlich, welche Fehlentwicklungen es aktuell bei der Terminvergabe gibt. Hier muss sich durch eine gezielte Steuerung dringend etwas ändern«, so Reimann.
Die Umfrage zeigt außerdem, dass sich 77 Prozent der Befragten aktive Unterstützung bei der Terminsuche durch ihre Krankenkasse wünschen. »Auch wir als AOK-Gemeinschaft würden es begrüßen, wenn die Krankenkassen künftig zu einer besseren Versorgung beitragen. Das setzt aber voraus, dass die Rahmenbedingungen dies zulassen und beispielsweise freie Termine verbindlich in einen Terminpool eingestellt werden würden«, so die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Der Forsa-Umfrage zufolge wirken sich die fehlende Steuerung vor allem an den Wochenenden und außerhalb der Praxis-Sprechzeiten negativ aus: So sagten 32 Prozent der Befragten, dass sie auch bei medizinischen Problemen, die keine lebensbedrohlichen Notfälle darstellen – zum Beispiel bei einem akuten Harnwegsinfekt oder Fieber über 39 Grad – am Wochenende als erste Anlaufstelle die Notaufnahme aufsuchen würden. 5 Prozent gaben sogar an, dass sie in solchen Fällen die Notrufnummer 112 wählen würden.
Wochentags, beziehungsweise innerhalb der Sprechzeiten von Arztpraxen, würden 86 Prozent der Befragten aber zunächst eine Haus- oder Facharztpraxis aufsuchen und nur fünf Prozent die Notaufnahme. Weitere zwei Prozent würden den Notruf wählen.
Große Unterschiede zwischen Wochenende und Werktag gibt es auch bei der Nutzung der Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter der 116 117. Am Wochenende würden 56 Prozent der Befragten bei den oben beschriebenen medizinischen Beschwerden zunächst hier Hilfe suchen. Wochentags gaben dies nur 5 Prozent an.
»Die 116 117 sollte künftig eine stärkere Funktion bei der Steuerung der Patientinnen und Patienten bekommen, und das nicht nur am Wochenende«, wünscht sich Carola Reimann. »Aus Sicht der AOK müssen künftig sowohl die geplanten Primärversorgungspraxen als auch eine bei den Kassenärztlichen Vereinigungen angesiedelte Akutleitstelle die Behandlungsdringlichkeit anhand eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens beurteilen und Patientinnen und Patienten in die passende Behandlung vermitteln. Das würde auch die Notfallversorgung entlasten.«