Mehrheit für Ausbildungsfonds |
Informierten beim Wirtschaftsseminar des AVMV in Warnemünde (von links): Sebastian Schwintek von der Treuhand Hannover, AVMV-Geschäftsführer Carsten Pelzer, Torsten Bathmann vom vfa, AVMV-Vorsitzender Axel Pudimat. / Foto: PZ/Orth
Der Fachkräftemangel macht sich auch in den Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern bemerkbar. Um gegenzusteuern, hat sich die Arbeitsgruppe »Nachwuchsgewinnung« des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern (AVMV) das Thema vorgenommen. Über die Vorgehensweise, Überlegungen und Pläne informierte Vorstandsmitglied Antje Urban. So befassten sich die sieben Mitglieder der Arbeitsgruppe unter anderem mit der Frage, wie mehr Ausbildungsmöglichkeiten für die einzelnen Berufsgruppen in den Apotheken geschaffen werden können. Wie kann Werbung für das Berufsbild aussehen? Wie lässt sich die PTA-Ausbildung attraktiver gestalten? Wie lassen sich Schulabgänger für eine Ausbildung und Tätigkeit in der Apotheke begeistern? Auch diesen Fragestellungen gingen die sieben Mitglieder der Arbeitsgruppe nach.
AVMV-Vorstandsmitglied Antje Urban stellte Ideen zur Nachwuchsgewinnung vor. / Foto: Holger Martens
Dabei zeigte sich, dass es bereits an genügend qualifizierten Bewerberinnen für die PTA-Schulen im Land mangelt. So seien beim letzten Jahrgang der PTA-Schule Schwerin von 25 Schülerinnen nur 13 zur Prüfung zugelassen worden, schilderte Urban. Zwölf bestanden die Prüfung, aber nur sechs entschieden sich anschließend für eine Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke. »Wir brauchen mehr Bewerberinnen und Bewerber, aber auch bei Praktikumsplätzen in Apotheken gibt es noch viel Potenzial«, betonte Urban. Um die Situation zu verbessern, müsse an vielen Stellschrauben gedreht werden. Dabei warb die Apothekeninhaberin aus Rostock um Unterstützung. »Nehmen Sie Schülerpraktikanten an, bilden Sie PKA aus, werben Sie vor Ort und in den sozialen Medien für die verschiedenen Berufsgruppen, melden Sie der Bundesagentur für Arbeit alle fehlenden Stellen«, appellierte sie an die Kolleginnen und Kollegen.
Zudem lotete Urban im Auftrag der Arbeitsgruppe die Bereitschaft der Verbandsmitglieder aus, PTA-Schülerinnen finanziell zu unterstützen. Hier zeigte sich in der Diskussion und einer anschließenden Probe-Abstimmung eine große Bereitschaft, die PTA-Ausbildung durch finanzielle Anreize attraktiver zu machen. »Ohne Anreize werden wir Bewerber verlieren«, sagte Susann Rösel-Jacobasch, die sich ebenfalls in der Arbeitsgruppe engagiert. Konkret ging es um einen Ausbildungsfonds sowie um eine finanzielle Förderung in den einzelnen Apotheken. In Probe-Abstimmungen gab es für beides deutliche Mehrheiten unter den anwesenden Verbandsmitgliedern. Auf Zustimmung stieß auch die Idee der Arbeitsgruppe, einen »Tag der offenen Apotheke« auf die Beine zu stellen. Hierzu erarbeite die Gruppe gerade einen Leitfaden, informierte Urban.
Die wirtschaftliche Lage in den Apotheken beleuchtete Sebastian Schwintek, seit Jahresbeginn neu in der Geschäftsleitung der Treuhand Hannover. Demnach sank das Betriebsergebnis der Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund 24 Prozent, der Rohgewinn ging um 5 Prozent zurück. Ursache für den Negativtrend seien unter anderem hohe Kostensteigerungen. Etwa 60 Prozent der Apotheken im Nordosten rutschten in schlechtere Betriebsergebnisklassen. Bei den Apothekenschließungen habe es laut Schwintek im vergangenen Jahr andere Bundesländer noch härter getroffen. Während in Mecklenburg-Vorpommern zehn Offizinen schließen mussten, waren es bundesweit 393.
Für dieses Jahr prognostizierte Schwintek den Apotheken im Land ein Betriebsergebnis von minus 14 Prozent und einen Rohertrag von 0,6 Prozent. Ohne Maßnahmen zur Kompensation bestehe die Gefahr, dass das Ergebnis weiter absinke, warnte der Treuhand-Experte. Er nannte verschiedene Möglichkeiten, wie Inhaber gegensteuern könnten. So empfahl er beispielsweise, die Öffnungszeiten und Kosten auf den Prüfstand zu stellen, Abläufe effizienter zu gestalten und auch über Preiserhöhungen nachzudenken. Sein Fazit: »Die Stimmung in den Apotheken ist schlecht. Aber wer unternehmerisch agiert, kann seine Apotheke auch in Zukunft wirtschaftlich führen.«
Torsten Bathmann, beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) für Wirtschaftspolitik zuständig, informierte über die Resilienz pharmazeutischer Lieferketten. Seinen Ausführungen zufolge habe es schon vor der Pandemie Lieferkettenprobleme gegeben, doch das Virus habe diese noch verstärkt. Die Abhängigkeit von Produktionsstätten in Asien sei hoch. Für die Produzenten lohne es sich schlichtweg nicht, in Europa zu produzieren. Kritik übte Bathmann am geplanten Lieferengpass-Gesetz. Das Gesetz behandele nur die Symptome, es sei jetzt schon überholt. »Wir müssen in Deutschland dafür kämpfen, als Standort attraktiv zu sein«, betonte der vfa-Experte. Es gebe aber auch Hoffnung. So stellte Bathmann die Initiative »RNA-Land Deutschland« vor. Daran beteiligten sich an der mehr als 60 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Deutschland, unter anderem auch in Greifswald und Rostock.
Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern, erläuterte die politische Strategie der ABDA. Er warb für Verständnis, dass die einzelnen Maßnahmen aus taktischen Gründen nicht öffentlich kommuniziert würden. Das Mitleid in der Bevölkerung für die wirtschaftliche Situation in den Apotheken halte sich in Grenzen. Die Apotheker wollten gerne weiterhin Problemlöser sein, aber dafür mehr Geld erhalten. »Wir sind kurz vorm Kaputtsparen«, so Pudimat. Er appellierte an die Apothekerinnen und Apotheker im Land, Briefe an Politiker und Abgeordnete zu schreiben und sich an Social-Media-Aktivitäten zu beteiligen. »Das nützt«, zeigte sich Pudimat überzeugt. Geschäftsführer Carsten Pelzer warb ebenfalls für die Beteiligung an Initiativen und Aktionen. »Machen Sie bei Umfragen mit, hängen Sie Plakate auf. Das dokumentiert die Geschlossenheit, die wir brauchen«, machte Pelzer deutlich.