| Daniela Hüttemann |
| 20.11.2025 14:30 Uhr |
Die Apothekerkammer Hamburg ruft dazu auf, sich an der ABYou-Kampagne »Error 404« zu beteiligen. Zudem verabschiedete sie eine Resolution, um vor den Gefahren des ApoVWG-Entwurfs in seiner jetzigen Form zu warnen. / © PZ/Daniela Hüttemann
Am 20. Oktober wurde der Referentenentwurf für das Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) öffentlich. Hamburgs Kammerpräsident Holger Gnekow erläuterte bei der Delegiertenversammlung am 19. November die Risiken und Chancen, die in den Reformplänen stecken.
Während die Apotheker an die Formulierungen im Koalitionsvertrag zu Beginn des Jahres noch große Hoffnungen auf eine Honorarerhöhung knüpften, bleibt im »Herbst der Reformen« mit diesem ApoVWG-Entwurf nur bittere Enttäuschung.
Die Honorarerhöhung im Koalitionsvertrag sei zwar unter Finanzierungsbehalt, aber die Lage der Krankenkassen sei da schon bekannt gewesen. Es sei nicht verständlich, wenn der ganze Staat sparen will, aber Geld dafür da sei, zum Beispiel die Mehrwertsteuer für Gastronomen und die Luftverkehrssteuer zu senken. »Man fühlt sich verschaukelt«, so Gnekow.
Zentraler Kritikpunkt am Referentenentwurf ist die fehlende Anpassung der Honorierung. »Unsere Strukturen kommen massivst unter Druck, das ist nicht akzeptabel«, so Gnekow. Positiv sei, dass Skonti vom Großhandel wieder erlaubt werden sollen. Auch die Einführung einer Verhandlungslösung für künftige Honorarerhöhungen sei grundsätzlich positiv. Im Gesetz müsse aber klar definiert werden, wie regelmäßig und unter welchen Bedingungen sie stattfinden.
Den angedachten Zuschlag für Landapotheken kritisierte Gnekow jedoch. Nicht nur, weil es auch in Hamburg (und anderen Großstädten) bereits Stadtteile mit prekärer Gesundheitsversorgung gebe. Auch weil es dann keine einheitlichen Arzneimittelpreise mehr gebe. »Das wäre fatal«, warnte Gnekow.
»Wir benötigen inhabergeführte Apotheken, die mit viel Verantwortungsbewusstsein ihren Job machen. Dafür müssen sie wirtschaftlich gestärkt werden«, so Kammerpräsident Holger Gnekow. / © PZ/Daniela Hüttemann
Zweiter großer Kritikpunkt ist die geplante PTA-Vertretung. »Die ständige Anwesenheit eines Apothekers ist erforderlich und nicht verhandelbar«, stellte der Kammerpräsident klar. Die Diskussion um eine Vertretungsbefugnis für PTA nach Weiterqualifizierung sieht er kritisch: »Lieber sollten wir ihnen den Zugang zum Pharmaziestudium vereinfachen durch Anerkennung ihrer Ausbildung.«
Zudem enthalte der Entwurf auch viele scheinbare Vereinfachungen für Apotheken, die Gnekow jedoch als gefährliche Lockerungen einstuft, weil die Qualität leiden würde und sie an den Markteintrittsbarrieren für andere Player in den Apothekenmarkt rütteln. Zum Beispiel nur noch ein Labor im Apothekenverbund, eine Lockerung der Öffnungszeiten oder ein breiterer Einsatz von nicht pharmazeutischem Personal. Auch Telepharmazie ohne persönlichen Kontakt sieht er skeptisch: »Das mag gut klingen, aber es gefährdet das Gesamtsystem.«
Zudem müsse die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen sorgfältig erfolgen. »Wir dürfen unser Qualitätsverständnis nicht verlieren – Sprachbarrieren sind ein echtes Problem«, warnte Gnekow.
»Wir benötigen aber inhabergeführte Apotheken, die mit viel Verantwortungsbewusstsein ihren Job machen und mit ihrer Nähe zum Menschen die Bevölkerung mit Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistungen versorgen, täglich und in Notfällen – und insbesondere auch in Krisensituationen. Dafür müssen sie wirtschaftlich gestärkt werden«, so Gnekow. Gleichzeitig appellierte er auch an die Apotheken, innovationsfreundlich zu sein.
So begrüßte er die im ApoVWG geplanten Leistungs- und Kompetenzerweiterungen wie mehr Impfungen, Tests und neue pharmazeutische Dienstleistungen (pDL). Dazu zählt auch die Abgabe von Rx-Arzneimitteln in Anschluss- und Ausnahmeversorgungen. »Das ist ein deutlicher Kompetenzgewinn für uns. Man glaubt an uns.« Gnekow betonte auch immer wieder, dass die Apotheken die Qualität hochhalten müssen, unter anderem durch verstärkte Fortbildung.
»Auch wir müssen uns ein Stück weit verändern«, so der Präsident. »Wir müssen am Konzept Apotheke renovieren, schrubben und basteln.« Dazu müssten Apotheken auch mehr kooperieren und eigene Ideen einbringen, zum Beispiel die assistierte Telemedizin, um Notaufnahmen und -praxen zu entlasten, eine Verfügbarkeits-App der Warenlager, um Lieferengpässe besser zu managen, und eine pDL zur Adhärenzförderung und zum Patientenmanagement bei hochpreisigen Arzneimitteln. Auch seine Vizepräsidentin Dorothee Dartsch glaubt, gerade mit einer pDL, um die Hochpreiser besser zu kanalisieren, könnten die Apotheken den Krankenkassen zu deutlichen Einsparungen verhelfen.
Mit Blick auf den möglichen Kabinettsentwurf vor Weihnachten setze die Berufspolitik im Moment auf intensive Gespräche statt Protestaktionen: »Jetzt nicht wutentbrannt auf die Straße, sondern unsere Argumente auf allen Ebenen einbringen.« Dennoch schloss er künftige Proteste nicht aus: »Wenn alles nicht fruchtet, müssen wir gemeinsam etwas machen – auch wenn wir keine Trecker haben, um Autobahnen zu blockieren.«
Über die weitere Strategie der ABDA und die weitreichenden Implikationen des Gesetzentwurfs werden am 27. Dezember Lutz Tisch, ABDA-Geschäftsführer Recht, und Ralf Denda, Leiter der Stabsstelle Politik, in einer digitalen Abendveranstaltung für alle Mitglieder der Hamburger Apothekerkammer informieren.
Gnekows Fazit: »Was uns da angedroht wird, ist schlecht, aber wir können die Situation positiv gestalten – und auch Freude daran haben, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dann bekommen wir neue Aufgaben und größere Bedeutung für die Gesellschaft. Aber wir müssen wollen und handeln – sonst verlieren wir immer mehr Apotheken.«
Viele der Hamburger Delegierten engagieren sich auch in der Nachwuchsorganisation ABYou. / © PZ/Daniela Hüttemann
Ein Zeichen gegen das ApoVWG in seiner jetzigen Form setzte die Delegiertenversammlung mit einer Resolution unter der Überschrift »Gemeinsam Zukunft gestalten: Heilberuflichkeit stärken – Versorgung verlässlich sichern« (siehe Kasten).
Die Kammer ist bereits mit den Hamburger Politikerinnen und Politikern zur Apothekenreform im Gespräch und hat zu Videostatements eingeladen. Zudem beteiligt sich die Kammer an einer von ABYou initiierten Kampagne, um ein Update für das ApoVWG zu fordern. Denn sonst heißt es in Zukunft immer häufiger: »Error 404: Apotheke not found.«
Last but not least gab es auch sehr gute Nachrichten für die Hamburger Kammerglieder: Der Haushalt ist äußerst solide. Im vergangenen Jahr wurde ein Überschuss erzielt, das Hauptvermögen stieg um mehr als 160.000 Euro. Bei angemessenen Rücklagen soll etwas an die Mitglieder zurückfließen: So wird der Kammerbeitrag für das Jahr 2026 deutlich gesenkt: um 28 Prozent für die Anteile der Betriebsstätten und um 22 Prozent für die persönlichen Mitgliedschaften. Die Kammer ist optimistisch, den erniedrigten Beitrag dann auch im Folgejahr beibehalten zu können.
Die Apothekerinnen und Apotheker in Hamburg begrüßen ausdrücklich die im Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) angelegten erweiterten Aufgabenbereiche der Vor-Ort-Apotheken für eine moderne, patientenorientierte Arzneimittelversorgung. Die vorgesehenen Weiterentwicklungen erkennen die zentrale Rolle der Apotheken vor Ort an und stärken die Heilberuflichkeit in einer Zeit, in der eine verlässliche, niedrigschwellige und qualitativ hochwertige Patientenversorgung wichtiger ist denn je.
Apotheken als erste Anlaufstelle: Heilberuflichkeit stärken
Hamburger Apotheken übernehmen täglich eine Schlüsselrolle in der gesundheitlichen Daseinsvorsorge:
Die geplanten Instrumente des ApoVWG – wie der Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen und Präventionsangebote – sind richtige Schritte. Sie tragen in hohem Maße dazu bei, auch zukünftig die wohnortnahe Versorgung der Menschen sicherzustellen, unser Gesundheitssystem zu entlasten und Kosten einzusparen. Wir stellen klar: Dies funktioniert aber nur, wenn die heilberufliche Verantwortung des Apothekers für seine Apotheke gewahrt bleibt!
Fachliche Verantwortung braucht fachliche Kompetenz – Apotheke nicht ohne Apotheker
Der Apotheker in seiner Apotheke stellt nach seinem hoheitlichen Auftrag und in eigener Verantwortung die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicher. Der Entwurf zum ApoVWG weicht durch die vorgesehene PTA-Vertretung eklatant von diesem Grundsatz der deutschen Arzneimittelversorgung ab. Die Hamburger Apotheker:innen warnen eindringlich vor dem damit einhergehenden Systembruch und der Abkehr von der Versorgung durch die heilberuflich-inhabergeführte Apotheke vor Ort. Entgegen der in anderen Teilen des Gesetzes vorgesehen Stärkung der Heilberuflichkeit wird der Berufsstand hier degradiert, die Versorgung verschlechtert und die Patientensicherheit gefährdet.
Wir stellen klar: Eine Apotheke funktioniert nur im Team – aber nicht ohne Apothekerinnen und Apotheker. Die pharmazeutische Expertise der Apotheker:innen ist unverzichtbar, um die im ApoVWG definierten Kompetenzerweiterung überhaupt realisieren zu können.
Faire Vergütung – Versorgung verlässlich sichern in Städten
Hamburg steht als Metropole vor besonderen strukturellen Herausforderungen:
Ohne eine faire, zeitgemäße Vergütung ist die wohnortnahe Versorgung – auch im städtischen Raum! – nicht mehr selbstverständlich aufrechtzuerhalten. Die bislang ausstehende Anpassung des packungsbezogenen Honorars widerspricht den politischen Zusagen einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken.
Wir Hamburger Apothekerinnen und Apotheker fordern daher das BMG auf:
Hamburgs Apotheken übernehmen Verantwortung – jeden Tag. Dafür erwarten wir politische Verlässlichkeit. Jetzt ist der Zeitpunkt für die Bundesregierung, ihr Wort einzulösen und die Zukunft der patientennahen Arzneimittelversorgung aktiv zu sichern.