Mehr Protest, mehr Gedisa |
Alexander Müller |
07.09.2023 14:45 Uhr |
HAV-Chef Holger Seyfarth sieht die Apotheken wirtschaftlich unter Druck. / Foto: PZ
Zur Rede von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) beim Deutschen Apothekertag (DAT) am 27. September sollen die Apotheken schließen – konkret zwischen 13 und 16 Uhr am Mittwochnachmittag. Die ebenfalls anwesende Kammerpräsidentin Ursula Funke versicherte, dass dies aus Sicht der Kammer rechtlich vollkommen unproblematisch sei.
Manchem HAV-Mitglied ist das aber zu wenig, zumal der Grund den wartenden Patientinnen und Patienten schwer zu vermitteln sei. Daher plädierten einige Mitglieder dafür, gleich den ganzen Mittwoch zu schließen. Auch ein Schulterschluss mit der Ärzteschaft und ein gemeinsamer Protesttag am 2. Oktober wurde diskutiert. Die weiteren Maßnahmen wollen die Apothekerinnen und Apotheker später mit ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening diskutieren, die der HAV-Versammlung einen Besuch abstattet.
Viel diskutiert wurde auch über die Beteiligung des HAV an der Gedisa. Am Gemeinschaftsprojekt der Apothekerverbände halten die Hessen 7,8 Prozent. Die erste Tranche von 200.000 Euro für 2022 hatte der HAV aus eigenen Mitteln gestemmt. Für dieses und das nächste Jahr zahlen die Mitglieder jeweils 600 Euro als Sonderzulage. Ab 2025 soll sich die Gedisa dann selbst tragen. Die Entscheidung wurde bei der Jahreshauptversammlung noch einmal bekräftigt.
Trotzdem wurde angesichts der im Vergleich zum Gesamthaushalt nicht unerheblichen Aufwendungen für die Digitalgesellschaft auch über die Leistungen der Plattform diskutiert. Die HAV-Spitze versprach, diese im nächsten Rundschreiben noch einmal transparent aufzulisten. Angesprochen wurden beispielhaft die geplante Überführung des Apothekenmanagers in die App ApoGuide und die gemeinsame Mitgliederverwaltung. Das Modul der Gedisa war von mehreren Landesapothekerverbänden getestet und für sehr gut befunden worden. Der HAV zählte dazu, plant die Migration im kommenden Jahr und hofft auf die Beteiligung weiterer Verbände.
HAV-Chef Holger Seyfarth fasste die Diskussion so zusammen: Die Gedisa sei für die Apotheken kein preisgünstiges Konzept, werde aber auf Strecke viele andere Anwendungen ersetzen. Auch aus den Reihen der Mitglieder wurde der Wert eines »Marktplatzes« in eigener Hand positiv gesehen. Fazit: Die Apotheken haben gezahlt und wollen etwas sehen.
Was die wirtschaftliche Situation der Apotheken betrifft, musste Geschäftsführerin Berit Gritzka erneut einen Rückgang für Hessen vermelden. Jedes Jahr fielen ungefähr 20 bis 30 Apotheken weg, aktuell sind es noch 1374, davon 1028 Hauptapotheken und 346 Filialen. Gleichzeitig sei die Zahl der in Apothekenbeschäftigten so hoch wie noch nie.
HAV-Chef Seyfarth sieht die Apotheken wirtschaftlich unter Druck: »Wir werden in diesem Jahr mit einem Rückgang des Betriebsergebnisses von durchschnittlich mehr als 10.000 Euro rechnen müssen«, so seine düstere Prognose. Damit sei man auf dem Nominalwert von 2019, und real ungefähr auf dem Wert von 2004 – dem Jahr der Honorarumstellung. »Apotheken mit geringerer Liquidität werden es deutlich schwerer haben«, befürchtet der HAV-Vorsitzende.
Zu den politischen Forderungen der Apothekerschaft zählt eine Erhöhung des Fixums von derzeit 8,35 auf 12 Euro. Seyfarth rechnete vor, dass das bei 791 Millionen Packungen Mehrausgaben von 3,2 Milliarden Euro entsprechen würde. Dazu sei die Politik aktuell nicht bereit, ganz zu Schweigen von den Krankenkassen, so Seyfarth. Um die Politik von der Notwendigkeit zu überzeugen, wurde die Idee diskutiert, den Tarifvertrag an die Entwicklung des Rx-Honorars zu koppeln. In der Pflegebranche gibt es schon entsprechende Modelle. Die Apotheken könnten damit signalisieren, dass sie das Geld brauchen, um die Fachkräfte zurück in die Apotheken zu holen.
Geld braucht in diesem Jahr auch der HAV. Der Haushalt wäre ohne die Ausschüttung des ARZ Darmstadt defizitär. Der Verband hält über eine Tochtergesellschaft 42,1 Prozent an dem Rechenzentrum und kann sich im Geschäftsbericht über einen Zufluss von 832.000 Euro freuen. Die in dieser Höhe einmalige Ausschüttung war von den ARZ-Gesellschaftern mit Blick auf die Rücklagen besprochen worden. In diesem Jahr werde der HAV aber mit weniger Zuflüssen auskommen müssen, kündigte Seyfarth an. Denn die Rechenzentren litten insgesamt unter dem hohen Zinsniveau.