Mehr Mikroplastik in Glas- als in Plastikflaschen |
Annette Rößler |
06.08.2025 15:00 Uhr |
Bei Getränken aus Glasflaschen stammt offenbar ein Großteil der Mikroplastik-Partikel in der Flüssigkeit aus dem Verschluss. / © Adobe Stock/doris_bredow
Plastik entwickelt sich zunehmend zu einem gravierenden Gesundheitsproblem. Gerade erst erschien im Fachjournal »The Lancet« ein großer Übersichtsartikel über die verschiedenen Aspekte der rasant steigenden Plastikproduktion, der Umweltbelastung durch Plastikmüll, dessen Entsorgung und Verbrennung sowie die Gefahren, die davon für den Menschen ausgehen.
Laut dem Artikel befinden sich zurzeit 8000 Megatonnen (Mt), also achttausend Millionen Tonnen Plastikmüll auf unserem Planeten. Die Plastikproduktion stieg von 2 Mt im Jahr 1950 auf 475 Mt im Jahr 2022 und wird laut Prognosen im Jahr 2060 bei 1200 Mt liegen. Ohne eine drastische Erhöhung der Recyclingquote, die derzeit weniger als 10 Prozent beträgt, wird die Umweltbelastung also noch massiv zunehmen.
Plastik verursache Gesundheitskosten in Höhe von mehr als 1,5 Billionen US-Dollar pro Jahr (1,3 Billionen Euro), die überproportional stark Länder mit niedrigem Durchschnittseinkommen und Risikopopulationen belasteten, schreibt das Autorenteam um Professor Dr. Philip J. Landrigan vom Global Observatory on Planetary Health am Boston College in Chestnut Hill. Es brauche daher die gemeinsame Anstrengung aller UN-Mitgliedstaaten, um gegen den Schaden, den Plastik weltweit anrichtet, vorzugehen. Gerade wird in Genf über ein mögliches UN-Plastikmüll-Abkommen verhandelt.
Bezüglich der Auswirkungen von Plastik auf die menschliche Gesundheit geht es viel um die Belastung mit Mikro- und Nanoplastik (MNP, Teilchengröße unter 1 µm) beziehungsweise Mikroplastik (MP, Teilchengröße 1 µm bis 5 mm). Bislang gibt es allerdings erst wenige Untersuchungen dazu, wie genau sich die Präsenz der Partikel kurz-, mittel- und langfristig auf verschiedene Körpergewebe auswirkt. Mechanismen wie eine Adsorption von Schadstoffen an die Plastikpartikel und die Auslösung einer schwelenden Entzündung scheinen hier relevant zu sein.
MP und MNP kann über verschiedene Routen in den menschlichen Körper gelangen – die Haut, die Atemluft und den Magen-Darm-Trakt –, wobei der letztgenannte Weg der wichtigste ist. Um die Belastung des Organismus gering zu halten, sollte man daher versuchen, möglichst wenig MP und MNP über Nahrungsmittel und Getränke aufzunehmen. Hierfür mag es zunächst naheliegend erscheinen, lieber Glasflaschen statt Plastikflaschen zu verwenden. Eine im »Journal of Food Composition and Analysis« erschienene Untersuchung von Forschenden der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ANSES um Iseline Chaïb zeigt nun allerdings, dass das ein Trugschluss sein kann.
Die Gruppe maß die MP-Belastung von diversen Getränken, die in Frankreich im Handel sind, darunter Wasser, Softdrinks, Biere und Weine. Dabei stellte sie fest, dass entgegen der Erwartungen Getränke aus Glasflaschen mit Ausnahme von Wein stärker kontaminiert waren als solche aus Plastikflaschen. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Plastikpartikel größtenteils nicht aus den Flaschen, sondern aus den Deckeln stammten. Die Forschenden vermuten, dass deshalb auch bei Weinen aus Glasflaschen die Belastung niedriger war, weil diese mit Kork statt mit plastikhaltigen Deckeln verschlossen waren.
Bei den Verschlüssen ließ sich der MP-Abrieb in die Flasche durch einen oder zwei zusätzliche Reinigungsschritte (Ausblasen beziehungsweise Ausblasen plus Ausspülen) vor dem Verschließen um den Faktor 3 reduzieren. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass dadurch auch nicht sämtliche MP-Partikel aus den Flaschen ferngehalten werden konnten. Da toxikologische Daten noch fehlten, könne man außerdem zurzeit nicht sagen, ob der Konsum von Getränken aus Flaschen mit einem Gesundheitsrisiko verbunden ist, das von MP ausgeht.