| Jennifer Evans |
| 12.03.2024 17:30 Uhr |
Diskutierten über Gesundheitsdaten: IQWiG-Leiter Thomas Kaiser (v.l.), Maro Bader (Roche Pharma), Professor Sylvia Thun (Charité) und Michael Lauk (B. Braun). / Foto: BAH
Die Interessenslagen im deutschen Gesundheitssektor zusammenzubringen, ist schwierig – nicht nur beim Thema Daten. Dabei wird dieser Schritt vor dem Hintergrund des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) beziehungsweise des Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetzes (GDNG) immer entscheidender. Darin waren sich die Expertinnen und Experten der Berliner Runde beim BAH heute einig. »Ohne Daten keine KI«, brachte Michael Lauk, Global Chief Digital Officer bei B. Braun, das Problem auf den Punkt.
Lauk zählte einige Punkte auf, an denen es aus Industriesicht derzeit hapert: Medienbrüche, Interoperabilität, Sektorenaustausch und widersprüchliche gesetzliche Regelungen. Vor allem aber bemängelte er die Datenqualität. Sei diese zu schlecht, ließe sich damit nicht viel anfangen, sprich, dann helfe auch die beste künstliche Intelligenz (KI) nicht weiter. Ein Weg aus der Misere ist seiner Auffassung nach, Datenproduzenten Anreize zu geben, gute Qualität zu liefern. Und: »Leistungserbringer müssen die Daten, die sie erheben, auch selbst zur Verfügung haben«, betonte er.
Für Thomas Kaiser, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), ist mehr Geld nicht die einzige Lösung für eine bessere Datendokumentation. Er sieht eine weitere Hürde im Fachkräftemangel. Außerdem fehlt es Kaiser hierzulande an einer gemeinwohlorientierten Forschungsagenda. Zu diesem Gedanken gehört in seinen Augen, dass die Industrie ihre Forschungsdaten veröffentlichen sollte. Sie habe damit ein Stück weit ihr Image selbst in der Hand. Außerdem hält er es für zentral, Daten zunächst aufzubereiten, bevor sie ausgewertet werden.
»Zeit für eine medizinische Fachdokumentation muss sein«, stimmte auch Professor Sylvia Thun zu. Sie ist Direktorin der Core Facility Digital Medicine and Interoperability des Berlin Institute of Health (BIH) der Charité. Vieles sei derzeit zum »falschen Anwendungszweck« dokumentiert. Damit meint Thun, dass einige Informationen lediglich für Abrechnungen erfasst seien, nicht aber für andere Bereiche bereitstünden. »Dabei sind Schnittstellen das Wissen der Medizin«, stellte sie klar.
Ein wenig anderer Meinung ist Maro Bader, Excellence Lead Digital Transformation, Health System & Governmental Affairs von Roche Pharma. Bevor die Schnittstellen in den Fokus rückten, müssten sich die Player wie das IQWiG, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie der Gemeinsame Bundeausschuss (G-BA) auf einheitliche Standards einigen. Das schaffe Vertrauen in der Bevölkerung und beschleunige schließlich die Prozesse. Sein Ziel wäre bei der Nutzung der Gesundheitsdaten eine Akzeptanz zu erreichen, wie sie etwa in der Luftfahrt-Branche zu finden sei.
Mehr Kooperation zwischen den Akteuren im Gesundheitssektor hält BAH-Geschäftsführer Michael Hennrich für ein entscheidendes Fazit der heutigen Berliner Runde. Zudem ließen sich womöglich die Nachteile der deutschen Dokumentationsflut künftig in einen Vorteil verwandeln, ergänzte er mit einem Augenzwinkern.