Mehr digitale Lösungen gefragt |
Christina Hohmann-Jeddi |
31.05.2024 13:30 Uhr |
Was die Digitalisierung gerade bei der Medikationsanalyse noch für Möglichkeiten bietet, zeigte Professor Dr. Hanna Seidling beim Pharmacon in Meran. / Foto: PZ/Alois Müller
Digitale Erstellung von Dienstplänen, KI-basierte Notdienstpläne und Warenwirtschaftssysteme – die Digitalisierung ist in Apotheken schon längst angekommen. »Das erleichtert den Alltag«, machte Professor Dr. Hanna Seidling vom Universitätsklinikum Heidelberg beim Pharmacon in Meran deutlich. Dabei sei es einfach, digitale Lösungen für bekannte Abläufe zu finden. Schwieriger sei es, Lösungen für noch nicht definierte Prozesse zu entwickeln, zum Beispiel die Medikationsanalyse.
Deren erster Schritt, die Anamnese, sei immer noch aufwendig, wobei die notwendigen Informationen aus Arztbriefen, Kundenkarteien und dem persönlichen Gespräch mit dem Patienten zusammengesucht würden. Das Verfahren sei nicht nur zeitintensiv für das Apothekenpersonal, sondern auch ein Problem für die Gesellschaft, weil es fehlerbehaftet und teuer ist. Hier könnte die Digitalisierung deutliche Vorteile bringen, so Seidling.
Einen Fortschritt erhofft man sich von der elektronischen Patientenakte (ePA), die Anfang Januar 2025 für alle gesetzlich Versicherten nach dem Opt-out-Verfahren eingeführt werden soll. Sie wird also für alle gesetzlich Versicherten in Deutschland angelegt, außer sie widersprechen aktiv. »Dabei wird der digital gestützte Medikationsprozess der erste Anwendungsfall sein«, berichtete die Referentin. Enthalten ist eine Medikationsliste, der Medikationsplan und Arzneimitteltherapiesicherheits-relevante Zusatzinformationen. »Alles davon können Ärzte und Apotheker sehen und ändern«, sagte Seidling.
In die Medikationsliste fließen automatisch alle E-Rezepte ein und aus diesen Daten wird der elektronische Medikationsplan (eMP) erstellt, der dann von einem Heilberufler kuratiert und verifiziert wird. Der eMP soll ab Juli 2025 ebenfalls in der ePA vorhanden sein. »Das wäre phänomenal, weil wir dann erstmals eine kontinuierliche Dokumentation der Medikation hätten«, sagte die Pharmazeutin. Noch seien einige Einzelheiten zu klären, etwa die Einbindung der Patienten und der Pflege, aber dieser digitale Prozess werde die Anamnese stark vereinfachen.
Zur eigentlichen Analyse der Medikation gibt es bereits effektive digitale Unterstützungssysteme. Es bestehe hier aber die Gefahr, dass zu viele Warnmeldungen zu einer Ermüdung (Alert Fatigue) führten. Das Alerting müsste daher noch optimiert und die Systeme darauf trainiert werden, Handlungen zu priorisieren, sagte Seidling. Für den letzten Schritt der Medikationsanalyse, die Kommunikation der Ergebnisse an den Arzt, stünden mit KIM und TIM zwei neue gesicherte Kommunikationswege zur Verfügung.
Bei KIM (Kommunikation im Medizinwesen) handelt es sich um ein gesichertes E-Mail-Verfahren. Für Apotheken ist es seit April 2024 verpflichtend, bis 30. Juni müssen Offizinen eine entsprechende E-Mail-Adresse nachweisen können. »Insgesamt befindet sich das System noch im Roll-out«, sagte Seidling. Zusätzlich werden als niederschwellige Kommunikationssysteme zwischen verschiedenen Stakeholdern im Gesundheitswesen zum Verschicken von Kurznachrichten noch TIM (TI-Messenger) angeboten. Hier soll es mehrere Formate geben: Ein TIM zwischen den Heilberuflern, der offiziell zum April 2024 gestartet ist, soll ab 3. Juni in einer Erprobungsphase in Franken und Hamburg getestet werden. Ab 2025 soll der TI-Messenger zur Kommunikation mit den Versicherten starten.
Insgesamt werde sich der Versorgungsprozess verändern und noch digitaler werden, zeigte sich Seidling überzeugt. »Wir sind gefragt, hier mitzugestalten.« Zudem erhöhe die Digitalisierung auch die Vielfalt der Gesundheitsinformationen, deren Seriosität für Patienten schlecht einzuschätzen sei. So sei etwa Wikipedia als Informationsquelle vielen bekannter als von öffentlichen Geldern finanzierte Plattformen. Hier könne die Apothekerschaft aufklären und informieren.