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Protesttag

Mehr als 5000 Apothekenmitarbeiter demonstrieren in Berlin

Das hat es so noch nie gegeben: Tausende Apothekenmitarberinnen und -mitarbeiter protestierten heute in Berlin für ein faires Honorar, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung. 
AutorKontaktMelanie Höhn
AutorKontaktAnne Orth
Datum 14.06.2023  16:10 Uhr

»Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut«: So emotional und geschlossen hat man die Apothekerschaft wohl noch nie gesehen. Mehr als 5000 Apothekerinnen, Apotheker, PTA und PKA in weißen Kitteln oder kreativen Kostümen aus ganz Deutschland fanden sich gegen Mittag am Potsdamer Platz ein, um von dort aus durch das Regierungsviertel zu ziehen, vorbei am Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Richtung Invalidenpark zur Abschlusskundgebung.

Der Protest fand anscheinend direkt politisches Gehör, denn noch während der Demonstration twitterte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach: »Großer Apotheker Streik vor meinem Büro. Sie skandieren »…wir sind viele, wir sind laut, weil er uns die Kohle klaut…« Hinterlassen hat ihm die Apothekerschaft einige Null-Euro-Scheine vor der Tür seines Ministeriums. 

Nicht nur tausende Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aus Berlin protestierten gegen die aktuelle Gesundheitspolitik – angereist waren auch Teams aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Die Apothekerverbände der jeweiligen Länder hatten dafür Busse organisiert. Doch auch aus Bayern, Schleswig-Holstein und anderen Bundesländern hatten sich Teams auf den Weg gemacht, um in der Bundeshauptstadt bessere Rahmenbedingungen für Apotheken einzufordern.

»Apotheke vor Ort am Limit«

Gegen 12 Uhr setzte sich der Protestzug am Potsdamer Platz in Bewegung. Die Protestierenden machten mit Trillerpfeifen, Rasseln und Fähnchen auf sich aufmerksam. »Wir hängen uns rein. Die Regierung lässt uns hängen« stand auf Plakaten, mit denen sie ihren Unmut über die aktuelle Gesundheitspolitik äußerten.

Auf einem Protestwagen heizten die Apothekeninhaber Stephan Torke aus Sachsen und Maximilian Wilke aus Berlin die Stimmung an und motivierten die Protestierenden zu Sprechchören wie »Hier sind wir, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut« oder »Ich sag Apo, ihr sagt Theke«. Auf Plakaten waren nachdenkliche Sprüche zu lesen: »Wer arbeitet so spät bei Nacht und Wind? Es ist der Apotheker für dein krankes Kind« oder »Apotheke vor Ort am Limit«. 

Um 14 Uhr versammelten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Invalidenpark nahe dem Hauptbahnhof. Mit dabei waren auch Annette Marten, Gülser Limon, Andrea Weinhold und Marian Torres aus der Apotheke Am Paulinenplatz in Hamburg St. Pauli. »Die Arbeit in der Apotheke wird immer anspruchsvoller und der bürokratische Aufwand immer größer. Der Aufwand steht aber in keiner Relation zum Verdienst«, kritisierte Marten.

Für die Apothekerin Maria Kubusch aus der Apotheke am Koppenplatz in Berlin ist ebenfalls die Entlohnung ein Problem: »Schon lange wurde die Vergütung für die Apotheken nicht angepasst. Wir müssen aber auch für das entlohnt werden, was wir leisten«, sagte sie. Ein Thema, an dem die Apotheken keine Schuld trügen, seien die komplexen Austauschregeln und Nullretaxationen.

Viele Apotheken am Rande der Machbarkeit

Katharina Hofmann hat mit ihrer Brunnen-Apotheke in Falkenberg auch damit zu kämpfen, dass viele Offizinen in ihrem Umkreis für immer geschlossen haben. »Fünf Apotheken in unserem Umkreis haben zugemacht und wir haben so viel zu tun, es gibt keinen Nachwuchs und wir ersticken in Bürokratie«, monierte sie. Apothekerin Carmen Liermann aus der Apotheke in Biesdorf-Süd liebt trotz allem ihren Beruf, auch wenn sie sich oft wie ein »Blitzableiter« der Menschen fühlt, die in die Apotheke kommen. »Menschen direkt helfen zu können, gibt mir ein gutes Gefühl«, wie sie sagt. 

Extra aus Mecklenburg-Vorpommern kam Hendrikje Schweizer mit ihrem 19-köpfigen Team angereist, inklusive Boten und Reinigungskraft. Für die Inhaberin der Rats-Apotheke Greifswald und der Hanse-Apotheke in Neuenkirchen krankt das ganze Gesundheitssystem – vor allem die Notdienstversorgung bringe viele Apotheken an den Rand der Machbarkeit. »Wir wollen die Zukunft für die nächste Generation sichern«, erklärte sie. 

Vor-Ort-Apotheken: Starke Säule im Gesundheitswesen

Bei der Abschlusskundgebung am Invalidenplatz dankte Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apothekervereins, den Teams aus ganz Deutschland für ihr Kommen. »Wir sind hier, weil die Politik unsere berufliche Existenz gefährdet«, sagte sie. Die Apothekenteams würden laut, weil die Bundesregierung die wohnortnahe und persönliche Arzneimittelversorgung an die Wand fahre. »Stärken Sie jetzt und sofort die Arzneimittelversorgung«, appellierte sie an die Bundesregierung. Die Apothekerinnen und Apotheker sowie ihre Beschäftigten bräuchten jetzt und sofort weniger Bürokratie, mehr Entscheidungsfreiheit und ein faires Honorar, machte sie deutlich.

Sie richtete auch einen Appell an die Minister Karl Lauterbach (SPD) und Robert Habeck (Grüne) persönlich: »Wir brauchen einen Gesundheitsminister, der sich mit ganzer Kraft dafür einsetzt, dass in Deutschland wieder genügend Arzneimittel zur Verfügung stehen und einen Wirtschaftsminister, der gemeinsam mit uns nach Lösungen sucht.«

Die Apotheken vor Ort seien starke Säulen im Gesundheitswesen. »Damit das so bleibt, brauchen wir Ihre Unterstützung: Herr Habeck, Herr Lauterbach und Herr Lindner, jetzt sind Sie dran«, sagte Rüdinger. »Schaffen Sie die finanzielle Basis für gerechte Löhne«. Zudem forderte sie »endlich verlässliche Rahmenbedingungen« sowie den Abbau von Bürokratie. 

Overwiening appellierte an Lauterbach persönlich

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wandte sich ebenfalls direkt an den Bundesgesundheitsminister. »Wir wollen, dass Sie die Apotheken stärken – jetzt«, appellierte sie an Karl Lauterbach (SPD) persönlich. Die gesamte Bundesregierung müsse erkennen, dass sie die Apotheken stärken müsse, und zwar »jetzt«.

Die Begründung, warum das sofort geschehen sollte, lieferte Overwiening auch gleich mit: Weil die Apothekerteams dem Arbeitsaufkommen nicht mehr gerecht werden könnten, weil den Apotheken endlich finanziell der Rücken gestärkt werden müsse, und um die Weichen für die Zukunft des Berufsstandes zu stellen. »Und weil wir auch morgen die Patienten noch sicher versorgen wollen«, betonte sie.

Die ABDA-Präsidentin griff auch die weit verbreitete Ansicht auf, dass Apotheker im Vergleich zu anderen Berufsständen ein faires Honorar erhielten. Diese »Neiddebatte«, die das Bundesgesundheitsministerium durch die Versendung der Faktenblätter angeheizt habe, bezeichnete sie als verantwortungslos. »Keine Apotheke in Deutschland schließt, weil es ihr gut geht«, hielt Overwiening dagegen.

Richtig sei hingegen: »Apotheken in Deutschland bluten aus. Das muss gestoppt werden«, forderte sie. Mit jeder Offizin, die für immer schließen müsse, fielen Arbeitsplätze weg und verschlechtere sich die Versorgung der Patientinnen und Patienten. »Wir sind es, die verzweifelten Eltern helfen, die sich selbst nicht mehr zu helfen wissen«, machte sie deutlich.

Sofortige Streichung der Nullretaxation

Die ABDA-Präsidentin fasste außerdem erneut die Forderungen der Apothekerschaft zusammen, die die Standesvertretung Ende Februar beschlossen hatte. »Das Fixum in der Arzneimittelpreisverordnung muss erhöht werden – jetzt«, betonte sie die Dringlichkeit des Anliegens.

Keinen Aufschub duldeten auch die weiteren zentralen Forderungen. Dazu gehörten die sofortige Streichung der Nullretaxation, ein angemessener Ausgleich für die Bewältigung von Lieferengpässen sowie die Fortführung der Entscheidungskompetenzen für die Apotheker.

Außerdem müssten die verschiedenen »Bürokratiemonster« abgebaut werden, verlangte Overwiening. Leider habe sich das Gesundheitsministerium bei diesen Themen nicht gesprächsbereit gezeigt, daher sei der bundesweite Protest notwendig geworden. Ziel der Apotheker sei es, die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auch weiterhin sicherstellen zu können. Durch den Einsatz der Notdienstapotheken sei dies auch am Protesttag gewährleistet.

Abschließend dankte Overwiening noch einmal allen Kolleginnen und Kollegen, die in Berlin und an anderen Orten bundesweit demonstrierten. »Diese Geschlossenheit wird der Bundesregierung vor Augen führen, dass sie die Apotheken vor Ort stärken muss – und zwar jetzt!«, betonte Overwiening.

Adexa-Chef: »Heute wird sichtbar, was wir alle täglich leisten«

Andreas May, Vorsitzender der Apothekengewerkschaft Adexa, forderte die Politik ebenfalls zum sofortigen Handeln auf: »Es geht um das Wohl der Patientinnen und Patienten, es geht um den Erhalt unserer Ausbildungsbetriebe und es geht um unsere Arbeitsplätze und deren angemessene Entlohnung.«

Heute fehle ein zentraler Baustein in der Daseinsvorsorge, »heute wird sichtbar, was wir alle täglich leisten«, so May. Beim Thema Lieferengpässe fänden Apothekerinnen und Apotheker sowie ihre Angestellten immer wieder Lösungen, was oft über den staatlichen Auftrag hinausgehe. Doch leider sperrten sich das BMG und das Bundeswirtschaftsministerium gegen eine faire Honorierung, kritisierte May.

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