Ärzte raten zu oft von Schwangerschaft ab |
18.03.2002 00:00 Uhr |
Neurologen und Gynäkologen müssen bei der Betreuung epilepsiekranker Frauen besser zusammenarbeiten. Das forderte Privatdozentin Dr. Eva Bettina Schmitz, Berlin, auf einer Veranstaltung zu Beginn des Jahres. Sie beklagte große Wissenslücken bei Medizinern, die dazu führen, dass Betroffenen nur zu oft ungerechtfertigt von einer Schwangerschaft abgeraten wird.
"Viele Neurologen kennen sich nicht ausreichend mit hormonellen Aspekten aus. Umgekehrt ist vielen Gynäkologen der Einfluss von Hormonen auf neurologische Erkrankungen nicht gegenwärtig", kritisierte die Oberärztin. Grundsätzlich können alle Frauen mit Epilepsie Kinder bekommen, allerdings sind bei der Betreuung dieser Frauen einige Besonderheiten zu beachten. Auf Grund schwankender Spiegel von ovariellen und adrenalen Steroiden kann es im Verlauf einer Schwangerschaft zu Änderungen im Anfallsmuster kommen, sagte sie.
Hormone beeinflussen Anfälle
Nicht nur während der Schwangerschaft, auch in der Pubertät und den Wechseljahren beziehungsweise während der Menstruation müssen Ärzte die neuroendokrinen Effekte weiblicher Sexualsteroide auf Anfallsart und -frequenz berücksichtigen, bestätigten Dr. Anneliese Schwenkhagen und Dr. Stefan Stodieck, Hamburg. Klinische Studien hätten gezeigt, dass Estrogene die neuronale Erregbarkeit des ZNS erhöhen und die Krampfschwelle herabsetzen. Progesteron und insbesondere sein Metabolit Allopregnanolon hingegen wirken antikonvulsiv. Darauf basiert der Einsatz von Progesteron beziehungsweise die kontinuierliche Einnahme oraler Kontrazeptiva zur Behandlung epileptischer Anfälle.
Erhöhte Aufmerksamkeit
Wie Schmitz hoben auch Schwenkhagen und Stodiek hervor, dass mehr als 90 Prozent aller Schwangerschaften bei Frauen mit Epilepsie komplikationslos verlaufen und mit der Geburt eines gesunden Kindes enden, auch wenn kindliche Fehlbildungen wie Neuralrohrdefekte circa 1,5- bis 2,5-mal häufiger als in der Normalbevölkerung auftreten. Zur Minimierung des Risikos sollte bei Kinderwunsch bereits präkonzeptionell auf eine Monotherapie mit möglichst niedriger Dosis umgestellt werden. Besonders bei Risikomedikamenten wie Valproat und Carbamazepin müsse auf eine adäquate Folsäuresubstitution mit 4 bis 5 mg Folsäure pro Tag geachtet werden.
Da es aus Sorge der Patientin um die mögliche Teratogenität von Antiepileptika besonders in der Frühschwangerschaft zur Minderung der Compliance kommen kann, müssten Ärzte hier doppelte Aufmerksamkeit walten lassen. Niemals sollten betroffene Frauen eine Schwangerschaft ungeplant auf sich zukommen lassen, sondern sich stets in die Hände kundiger Spezialisten begeben, hieß es in Hamburg. Das gelte auch für Fragen der Empfängnisverhütung: Die Sicherheit hormonaler Kontrazeptiva wird durch Antiepileptika beeinflusst und kann durch die gleichzeitige Gabe von Antiepileptika wie Carbamazepin, Felbamat, Oxacarbazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon und Topiramat vermindert sein.
© 2002 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de