Medizin
Zwei placebokontrollierte randomisierte Studien in Nordamerika und
Europa haben bei bestimmten Herzinfarktpatienten die Wirksamkeit des
Antiarrhythmikums Amiodaron zur Vermeidung von Kammerflimmern und
dadurch bedingte Todesfälle belegt. Hiermit unterscheidet sich Amiodaron
von einer Reihe von Typ-1-Antiarrhythmika, die sich in Langzeitstudien auf
diesem Gebiet nicht nur als unwirksam erwiesen, sondern sogar
möglicherweise das Sterberisiko nach Herzinfarkt erhöhen.
Ventrikuläre Arrhythmien sind eine der Haupttodesursachen, nachdem ein Patient
die akute Phase des Herzinfarktes überlebt hat. Obwohl die meisten klinischen
Prüfungen mit Antiarrhythmika derartige ventrikuläre Arrhythmien als
Einschlußkriterium benutzten, gibt es keinen Beweis, daß die Unterdrückung dieser
Arrhythmien die Sterblichkeit vermindert hätte. Amiodaron besitzt mehrere potentiell
günstige Wirkmechanismen, positive Wirkungen wurden in mehreren kleineren
klinischen Prüfungen gezeigt.
Der wichtigste unabhängige Risikofaktor für die Sterblichkeit nach Herzinfarkt ist
eine Linksherzinsuffizienz. In der jetzt abgeschlossenen European Myocardial Infarct
Amiodarone Trial (EMIAT) wurde untersucht, ob Amiodaron die Sterblichkeit bei
Patienten mit hohem Sterblichkeitsrisiko nach Herzinfarkt vermindert, wenn eine
verminderte Ventrikelfunktion (Linksherzinsuffizienz) vorliegt. Die Patienten wurden
unabhängig von vorliegenden ventrikulären Arrhythmien in die doppelblind
randomisierte Studie aufgenommen.
Insgesamt wurden 1486 Herzinfarktüberlebende mit einer linksventrikulären
Ejektionsfraktion (LVEF) von 40 Prozent oder weniger entweder mit Placebo oder
mit 800 mg Amiodaron täglich über 14 Tage behandelt, gefolgt von 400 mg täglich
für 14 Wochen und dann 200 mg täglich bis zum Ende der Studie. Die
Patientengruppen wurden durchschnittlich über einen Zeitraum von 21 Monaten
hinsichtlich des primären Zielparameters (Veränderung der Mortalität jeder Ursache)
und der Sekundärparameter (kardiale Sterblichkeit und Arrhythmie-bedingte
Sterblichkeit) beobachtet und ausgewertet. Die Auswertung der EMIAT-Studie
ergab, daß Amiodaron nicht die Gesamtsterblichkeit (103 Todesfälle in der
Amiodarongruppe, 102 in der Placebogruppe) oder die Sterblichkeit an kardialen
Ursachen verminderte. Jedoch reduzierte es das Risiko von Arrhythmie-bedingter
Sterblichkeit um 35 Prozent.
Die EMIAT-Ergebnisse unterstützen nicht den generellen Einsatz von Amiodaron bei
allen Patienten mit verminderter linksventrikulärer Ejektionsfraktion nach einem
Herzinfarkt. Dagegen weisen das fehlende proarrhythmogene Potential und die
verminderte Arrhythmie-bedingte Todesrate Amiodaron als Therapie bei Patienten
mit ventrikulären Arrhythmien nach einem Herzinfarkt aus.
Diese Schlußfolgerung wird auch durch die zweite große placebokontrollierte Studie
mit dem Wirkstoff gestützt, die Canadian Amiodaron Myocardial Infarction
Arrhythmia Trial (CAMIAT). Sie untersuchte die Wirkung von 10 mg
Amiodaron/kg Körpergewicht täglich über zwei Wochen, gefolgt von einer
Erhaltungsdosis von 200 bis 300 mg Amiodaron täglich über vier Monate und 200
mg an fünf bis sieben Tagen/Wochen über 16 Monate; einbezogen waren
Post-Infarkt-Patienten mit häufigen oder wiederholten vorzeitigen ventrikulären
Depolarisationen.
Bei den 1202 randomisierten Patienten reduzierte Amiodaron über den
Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 1,8 Jahren das relative Risiko für
ventrikuläre Arrhythmien mit der Notwendigkeit einer Wiederbelebung oder
Arrhythmie-bedingte Todesfälle um 48,5 Prozent. Das absolute Risiko sank dabei
am stärksten bei Patienten mit Herzversagen oder einem Herzinfarkt in der
Vorgeschichte.
PZ-Artikel von Sabine H. Bodem, Karlstein
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