Welttag des Stotterns |
07.10.2002 00:00 Uhr |
PZ Während das Sprechen für die meisten Menschen selbstverständlich ist, stellt die tägliche Kommunikation für Millionen von Stotterern auf der ganzen Welt eine ständige Herausforderung dar. Auf die Probleme der Betroffenen soll der Welttag des Stotterns (International Stuttering Awareness Day) am 22. Oktober aufmerksam machen.
Marilyn Monroe, Winston Churchill, Isaac Newton, Bruce Willis: Wer stottert, ist in guter Gesellschaft. Doch das hilft den Betroffenen wenig, denn das Handicap wirkt sich häufig negativ auf die persönliche Entwicklung aus. Sie wachsen mit geringem Selbstbewusstsein auf, sind kontaktscheu und haben schlechtere Berufschancen. Doch trotz dieser Konsequenzen wird die Störung in der Gesellschaft kaum beachtet. Daher rufen verschiedene weltweite Verbände von Betroffenen und Fachleuten nun zum 5. Welttag des Stotterns auf, der dieses Jahr unter dem Motto „Lass Dich vom Stottern nicht aufhalten“ steht. Am 22. Oktober sollen zahlreiche Aktionen auf die Bedürfnisse der Betroffenen aufmerksam, der Störung das Stigma nehmen und Tipps für den konstruktiven Umgang mit stotternden Menschen liefern, informiert die Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe e. V. in einer Pressemitteilung. Ein Angebot des Aktionstages ist zum Beispiel eine weltweite Internetkonferenz mit Experten und Betroffenen.
Stotterer sind in ihrer sprachlichen Kommunikation oft schwer beeinträchtigt. Das Schlimmste am Stottern ist die Angst vor der Störung. Manche bestellen im Bäckerladen vier Brötchen, obwohl sie nur drei wollen, aber "vier" besser aussprechen können. Wortvermeidungen wie diese erzeugen Selbstvorwürfe, Scham, sie führen in die Resignation und soziale Isolation. Unter den 800 000 Betroffenen in Deutschland leiden besonders Schüler unter Stottern, da sie in der Klasse verspottet werden und für ihre mündlichen Leistungen häufig schlechte Noten erhalten.
Stottern ist eine organisch bedingte Sprechbehinderung und geht nicht– wie oft geglaubt – auf mangelnde Intelligenz, neurotisches Verhalten oder falsche Erziehung zurück. Die Störung erlaubt auch keine Rückschlüsse auf den Charakter, die Persönlichkeit oder die familiäre Situation des Betroffenen. Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass es sich beim Stottern um eine neurophysiologische Dysfunktion handelt, die die Sprechmotorik stört.
Rund fünf Prozent aller Kinder zwischen dem zweiten und dem sechsten Lebensjahr stottern, erklärte die Sprachtherapeutin Oranna Christmann auf dem Bundeskongresses der Stotterer-Selbsthilfe in Köln. Über die Pubertät hinaus bleibe das Problem aber nur noch bei einem Prozent bestehen. Kinderärzte seien häufig nicht ausreichend über das Stottern informiert und raten einfach dazu abzuwarten. Daher blieben Eltern oft mit ihren Sorgen allein und wüssten nicht, wie sie mit der Sprachstörung ihres Kind angemessen umgehen sollten. «Für manche Eltern ist der Leidensdruck größer als für ihr Kind», erklärte Christmann. Dies begünstige die Sprechstörung sogar noch. Eltern sollten das Sprachverhalten ihres Kind genau beobachten, möglichst unter Aufsicht eines Therapeuten. «Wenn das Kind sich beim Stottern anstrengt und anspannt, ist eine Therapie unbedingt nötig», sagte Christmann.
Eine Behandlung kann in jedem Alter begonnen werden und führt fast immer
zu einer Besserung. Entscheidend ist es, die tief sitzenden Ängste vor dem
Sprechen abzubauen und den souveränen Umgang mit dem Stottern zu lernen. Die
Teilnahme an Selbsthilfegruppen trägt dazu bei, die Kommunikationsfähigkeit
zu verbessern und Stottern als eine "andere Art des Sprechens" zu
akzeptieren. Die Treffen mit anderen Betroffenen sollen das Stottern
entmachten und den offensiven Umgang mit dem Handicap fördern. Weitere
Informationen zum Thema Stottern und zum Aktionstag gibt es bei der
Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe e.V. (BVSS) unter der Telefonnummer
(07 00) 47 11 20 00 oder auf der Homepage der Organisation unter
www.bvss.de.
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