Medizin
Bis heute gibt es bei der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) lediglich
zwei Therapiestrategien, die sich in tierexperimentellen und klinischen
Studien eindeutig positiv auf den Reanimationserfolg auswirken: externe
Herzmassage und Defibrillation. Obwohl Adrenalin empfohlen und als Mittel
der Wahl eingesetzt wird, wurden der Wert und das Risiko dieses
Catecholamins bei der CPR in den letzten Jahren kontrovers diskutiert.
Dies stellte Dr. Volker Wenzel von der Klinik für Anästhesiologie in Ulm
beim 17. Bundeskongreß Rettungsdienst in Nürnberg fest.
Unter Adrenalingabe steigt der Sauerstoffverbrauch, es treten vermehrt ventrikuläre
Rhythmusstörungen sowie Herzversagen in der Phase nach der Reanimation auf. In
einer klinischen Studie von Woodhouse et al. ergab sich für Adrenalin versus
Placebo kein Vorteil für das Pharmakon. In einem Versuch, die Überlebenschance
nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand zu verbessern, zeigte sich, daß bei den
reanimationspflichtigen Patienten das zirkulierende endogene Vasopressin stark
erhöht war. Weiterhin waren die Vasopressinspiegel bei Überlebenden höher als bei
Patienten, die nicht erfolgreich reanimiert werden konnten. Diese Ergebnisse deuten
darauf hin, daß Vasopressin ein wichtiger körpereigener Faktor sein könnte, um eine
Verbesserung des Blutdruckes durch endogene Ausschüttung von Adrenalin,
Noradrenalin und Angiotensin II zu erzielen.
Adrenalin bei Reanimation
Die Adrenalinwirkung erklärte man sich bisher durch den Angriff an adrenergen
Bindungsstellen. Durch Wirkung auf alpha-Rezeptoren verengt Adrenalin die
Arteriolen und erhöht das zentrale Blutvolumen. Durch agonistische Effekte an den
ß-Rezeptoren steigert es die Schrittmacheraktivität des Herzens durch Erhöhung der
Herzfrequenz und Stimulation der spontanen Autonomie. Es kommt zu einer
indirekten mechanischen Koppelung durch Calciumionen und einer Steigerung der
Kontraktionskraft.
Die Hauptwirkung von Adrenalin beruht im wesentlichen auf der Herstellung eines
ausreichenden koronaren Perfusionsdruckes. Die Stimulation der alpha-Rezeptoren
und die damit verbundene Vasokonstriktion ist in der Anfangsphase der Reanimation
entscheidend. Obwohl der Wirkmechanismus klar definiert ist, und Adrenalin
(subjektiv?) erfolgreich eingesetzt wird, sind Doppelblindstudien aus ethischen
Gründen nicht möglich.
In einer tierexperimentellen Dosis-Wirkungs-Studie konnte mit Vasopressin in
unterschiedlicher Dosierung ein signifikant besserer Blutfluß in vitalen Organen
erreicht werden als mit hochdosiertem Adrenalin. Vasopressin steigert den
cerebralen Blutfluß stärker als Adrenalin, was sich positiv auf den Metabolismus des
Gehirns auswirkte. Am Schwein konnte gezeigt werden, daß auch endobronchial
appliziertes Vasopressin rasch wirkt und gegenüber Placebo zu einer signifikant
besseren Überlebensrate führt.
Bei einer Reihe von Patienten, die unter Standardtherapie ein refraktäres
Kammerflimmern aufwiesen, gelang es, mit Vasopressin und anschließender
Defibrillation einen Spontankreislauf wiederherzustellen. In einem kleinen, prospektiv
randomisierten Vergleich von Vasopressin mit Adrenalin bei Patienten mit
außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand bei Kammerflimmern, wurde in der
Vasopressingruppe ein signifikant besseres 24-Stunden-Überleben gefunden.
Mögliche Nachteile von Vasopressin sind ein erhöhter systemischer
Gefäßwiderstand nach einer erfolgreichen Reanimation, was das Herzzeitvolumen
vermindern kann. Die Ergebnisse der Tierversuche können allerdings nicht
bedingungslos auf den Menschen übertragen werden, da die Tiere
8-Lysin-Vasopressin sezernieren und die menschliche Hypophyse
Arginin-Vasopressin bildet, räumte Wenzel ein.
Der Frage nach der Langzeitüberlebensrate und dem neurologischen Status wurde
bisher in keiner tierexperimentellen Studie nachgegangen. Deshalb ist noch unklar,
ob der unter Vasopressin verbesserte cerebrale Blutfluß während der
Wiederbelebung zu einem besseren neurologischen Reanimationsergebnis führt.
Vasopressin scheint vielversprechend für den Einsatz in der CPR. Bevor es jedoch
zur Therapie bei der Wiederbelebung generell empfohlen werden kann, sind weitere
tierexperimentelle und klinische Studien notwendig.
PZ-Artikel von Matthias Bastigkeit, Lübeck
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