Medizin
In Deutschland ist die Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige
umstritten. Aus medizinischer Sicht scheint jedoch einiges dafür zu sprechen.
Nach den Ergebnissen einer Schweizer Studie profitieren Heroinabhängige,
die mehr als zwei Jahre an der Nadel hängen, eindeutig von einer
kontrollierten Heroinabgabe.
An der Studie, die 1995 in Genf begann, nahmen 51 Langzeit-Drogenabhängige teil.
27 Personen erhielten über ein halbes Jahr täglich 480 mg Heroin, während 24
Personen mit Ersatzdrogen, im allgemeinen Methadon, behandelt wurden.
Von der Therapie profitierten die Teilnehmer aus der Heroingruppe wesentlich
stärker als diejenigen aus der Methadongruppe. Ihre geistige Verfassung besserte
sich, die Zahl der Suizidversuche war wesentlich niedriger als in der
Methadongruppe, und sie hatten weniger Schwierigkeiten, am normalen
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, faßt Studienleiter Dr. Thomas Perneger die
Studienergebnisse zusammen.
Nur ein Abhängiger aus der Heroingruppe besorgte sich zusätzlich Drogen auf der
Straße, während von den Probanden aus der Methadongruppe immerhin 10 (44
Prozent) zusätzlich Heroin und andere Substanzen bei Straßendealern kauften. Aus
diesem Grund waren in der Heroingruppe drogenbedingte Straftaten und Prostitution
wesentlich seltener als in der Methadongruppe. Für die Gesellschaft sei dieser
Aspekt besonders wichtig, schreibt Perneger.
Erstaunt waren die Genfer Ärzte allerdings über die geringe Bereitschaft der
Probanden aus der Kontrollgruppe, nach Versuchsende in die Heroingruppe zu
wechseln. Nur neun der 24 Abhängigen wollten sich den täglichen Schuß in der
Klinik setzen.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Eschborn
Quelle: Perneger, T., et al., British Medical Journal, Vol. 317, 4. Juli 1998, S. 13-18
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