Medizin
Das Reisefieber ist ungebrochen. Leider gilt das auch im wörtlichen
Sinne. Reisekrankheiten werden nicht weniger, die Beratung darf nicht
vernachlässigt werden. Das Forum Reisemedizin* lud zu einer
Fortbildungsveranstaltung unter der Leitung von Dr. Bernward
Fröhlingsdorf, Bremen, und Dr. Hans-Dieter Nothdurft, München, nach
Bremen ein.
Durchfall bleibt die Erkrankung unter der Fernreisende am häufigsten leiden. Wichtig
ist die Prophylaxe: Eiswürfel, Leitungswasser, ungekochtes Obst und Gemüse sind
zu meiden. Patienten, die Protonenpumpenhemmer einnehmen, sind stärker
gefährdet. Von Antibiotika zur Prophylaxe wird ebenso abgeraten wie von
Wismut-Präparaten. Einige Autoren beschreiben einen protektiven Effekt von
Hefezubereitungen (Saccharomyces cervisiae); der klinische Nutzen ist aber noch
nicht gesichert.
Eine Diarrhoe klingt nach zwei bis fünf Tagen meist von alleine ab. Im Falle einer
Therapie sind Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz die wichtigsten Maßnahmen. Ein
Glucose-Zusatz verbessert die Resorption. Gibt es keine Medikamente vor Ort,
können Cola und Salzstangen hilfreich sein.
Steigt das Fieber über 38,5°C oder ist der Durchfall blutig, muß unbedingt eine
qualifizierte Diagnostik erfolgen, damit erregerspezifisch therapiert werden kann. Bei
Shigellen sind Antibiotika wie Gyrasehemmer indiziert. Loperamid ist kontraindiziert.
Bei einer Protozoen-Infektion sollte Metronidazol gegeben werden, ein
Amoebenabszeß muß allerdings ausgeschlossen werden. Fieberhafter Durchfall kann
auch Anzeichen für eine Malaria-Infektion sein.
Apotheker sollten Tropenreisenden, die sich weit entfernt von medizinischen
Einrichtungen aufhalten, zur Selbstbehandlung bei hochfieberhafter Diarrhoe einen
Gyrasehemmer als Einmalgabe (z.B.500 mg Ofloxacin) empfehlen.
FSME-Prophylaxe
Die wichtigsten FSME-Endemiegebiete liegen in Österreich, Rußland, den baltischen
Staaten sowie in Deutschland südlich der Mainlinie. Personen, die in diese Regionen
reisen, ist eine aktive Immunisierung mit Totimpfstoff zu empfehlen. Zu beachten ist
jedoch, daß der FSME-Impfstoff von Chiron-Behring (Encepur®) für Allergiker mit
einer Überempfindlichkeit gegen Gelatine und Hühnereiweiß kontraindiziert ist. Der
Kinderimpfstoff wurde vom Markt genommen. Das Präparat der Firma Immuno
(FSME-Immun®) ist auch für Kindern geeignet. Für die postexpositionelle
Prophylaxe steht als Passivimpfstoff ein spezifisches Immunglobulin zur Verfügung,
das aber mit einem Nebenwirkungsrisiko belastet ist. Dr. Jochen Süss, Berlin,
berichtete, daß einige Experten deshalb generell die Aktivimpfung gegen FSME
empfehlen.
Im Erkrankungsfall gibt es keine spezifische Therapie gegen die FSME-Viren. In
Osteuropa infizierten sich in den letzten Jahren mehrere Personen an pasteurisierter
Ziegenmilch. Auch andere Säugetierarten bilden ein Erregerreservoir für
FSME-Viren ohne selbst zu erkranken.
Hepatitis
Von den zirka 50.000 Hepatitis-B-Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland
werden rund 15 Prozent auf Reisen erworben. Gefährdet sind Fernreisende, die in
engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung stehen, und Personen, die sich auf
Fernreisen einer medizinischen Behandlung - etwa beim Zahnarzt - unterziehen
müssen. Das Hepatitis-B-Virus wird parenteral durch Blut, Sperma und
Vaginalsekret übertragen.
Nachdem die ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung gegen Hepatitis B auf
WHO-Empfehlung im Jahre 1995 in den Impfplan aufgenommen hat, werden die
Impfkosten für Kinder und Jugendliche von den gesetzlichen Krankenkassen
übernommen. Erwachsene zahlen ihre Reiseimpfung selbst.
Noch häufiger erkranken Fernreisende an Hepatitis A. Im Gegensatz zur Hepatitis B
erfolgt ihre Übertragung fäkal-oral. Chronische Verläufe mit Übergang in
Leberzirrhose und Leberzellkarzinom sind nicht bekannt. Twinrix® (SmithKline
Beecham) ist ein Kombinationsimpfstoff gegen Hepatitis A und B. Die
Grundimmunisierung umfaßt drei Injektionen, wobei die zweite Impfung einen Monat
und die dritte Impfung sechs Monate nach der ersten erfolgen sollten. Unter dem
Zeitdruck der Last-minute-Buchungen etabliert sich ein Impfschema, bei dem die
zweite Impfung schon eine Woche und die dritte Impfung drei Wochen nach der
ersten Injektion gegeben wird. Experten beurteilen diese Schnellimmunisierung als
suboptimal aber immer noch sinnvoll. Wichtig ist es, auch den normalen Impfschutz,
zum Beispiel gegen Diphterie, Polio oder Tetanus, vor jeder Reise zu überprüfen.
Schnelle Diagnose ist bei Malaria wichtig
Rund eintausend Malariafälle werden in Deutschland pro Jahr gemeldet. Zu 70
Prozent wird Malaria tropica diagnostiziert, deren Letalität bei 3,5 Prozent liegt.
Hauptimportländer sind Kenia, Ghana, Nigeria und Kamerun. Todesfälle sind durch
rechtzeitige Therapie vermeidbar. Die Diagnose erfolgt durch mikroskopischen
Erregernachweis im Blut. Neuerdings sind auch serologische Schnelltests im Handel,
die aber für Laien nicht geeignet sind und außerdem eine Infektion nicht mit
Sicherheit ausschließen. Mit einem Malaria-Impfstoff könne auch in den nächsten
fünf Jahren nicht gerechnet werden, sagte Nothdurft. Nach wie vor können sich
Reisende nur durch Chemo- und Expositionsprophylaxe schützen (Kleidung,
Moskitonetz, Repellents et cetera). Die Zunahme resistenter Stämme von
Plasmodium falciparum (Malaria tropica) erschwert Prophylaxe und Therapie. Je
nach regionaler Resistenzsituation empfiehlt die WHO verschiedene prophylaktische
und Stand-by-Therapien.
Mefloquin sollte bereits zwei bis drei Wochen vor Beginn der Reise eingenommen
werden. Treten Nebenwirkungen auf, bleibt dann noch Zeit um auf andere
Prophylaktika auszuweichen. Die Dauer der Einnahme ist nicht mehr beschränkt.
Treten malariaverdächtige Symptome auf, ist eine Stand-by-Therapie indiziert,
insbesondere bei kurzem Aufenthalt im Malaria-Gebiet oder bei individueller
Empfindlichkeit gegen die Prophylaktika. Bei Mefloquin-Prophylaxe (Zone C) kann,
wenn es doch zur Infektion kommt, gegebenenfalls mit Atovaquon und Proguanil
therapiert werden.
*) Folgende Verbände sind am Forum Reisemedizin beteiligt:
Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Deutsche Gesellschaft für Infektiologie,
Berufsverband Deutscher Internisten, Berufsverband der Allgemeinärzte, Berufsverband der
Ärzte für Kinderheilkunde und Jugendmedizin
PZ-Artikel von Halmut Renz, Bremen
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