Medizin
Die Rückkehr der Seuchen sei ein
etwas überstrapazierter Begriff, versicherte Professor
Dr. Reinhard Kurth, Leiter des Robert-Koch-Instituts
(RKI). Andererseits habe aber der Optimismus aus den
Jahren der erfolgreichen Antibiotikatherapien inzwischen
nachgelassen. Auf einer Pressekonferenz im
Robert-Koch-Institut in Berlin wurden die neuesten Zahlen
und Trends zu Infektionskrankheiten in Deutschland
bekanntgegeben.
Während sich das HI-Virus in vielen Gebieten der Erde
weiter ausbreitet, blieb die Anzahl der Neuinfektionen in
Deutschland weitgehend konstant. Aids-Neuerkrankungen
sind 1996 um acht Prozent gesunken, die Sterbefälle
haben sogar um zwanzig Prozent abgenommen. Es wird jedoch
ein erneuter Anstieg bei den Erkrankungsraten und
Todesfällen erwartet, da die derzeitigen Therapien den
Krankheitsverlauf lediglich hinauszögern. Zudem muß
auch mit der weiteren Ausbildung von Resistenzen
gerechnet werden.
TBC, Typhus und Hepatitis gehen zurück
Nach wie vor rückläufig ist das Vorkommen von
Tuberkulose, Typhus sowie Hepatitis A und B. 12.000
Menschen erkrankten 1995 in Deutschland an Tuberkulose,
900 starben. Zu den Betroffenen gehörten weniger
Aids-Patienten als Menschen aus sozialen Randgruppen,
erklärte Kurth. Die in Nordamerika entdeckten
therapieresistenten Erreger seien bisher in Deutschland
noch nicht aufgetreten.
An chronischen Hepatitiden sterben in Deutschland pro
Jahr ungefähr 5000 Patienten. An Typhus erkrankten im
vergangenen Jahr 143 Menschen, die meisten hatten sich im
Ausland infiziert. Diphtherie wurde bei vier Patienten
diagnostiziert. Die Zahl sei gering, dennoch handele
grob fahrlässig", wer ohne ausreichenden
Impfschutz zum Beispiel nach Moskau reise, warnte Kurth.
Auch die Grippe schlägt immer wieder zu; mehr als acht
Millionen Menschen gingen im Winter 1995/96 wegen der
echten Virusgrippe zum Arzt, 28.000 wurden in eine Klinik
eingewiesen.
Enteritis infectiosa mit am häufigsten
Neben respiratorischen Erkrankungen gehören infektiöse
Magen-Darm-Erkrankungen (Enteritis infectiosa) zu den
häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt.
Erregertypen in unseren Breiten sind Salmonellen,
enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), Rotaviren,
Campylobacter und Yersinien.
Salmonelleninfektionen nehmen seit dem Höhepunkt der
Ausbreitung 1992 zwar stetig ab, 1996 erkrankten aber
immer noch ungefähr doppelt so viele Menschen (circa
109.000) wie Mitte der achtziger Jahre.
Eine tendenzielle Zunahme läßt sich hingegen bei allen
übrigen infektiösen Enteritiden beobachten. Mit
ungefähr 95.000 Fällen liegen die Zahlen fast 26
Prozent über den Werten von 1995 (ein Teil dieser
Steigerung ist erfassungsbedingt).
Außerhalb Bayerns stiegen jedoch EHEC-Infektionen nicht
auffällig an. Dort mußten von Juli 1995 bis März 1996
an Dialysezentren 43 Kinder behandelt werden, sieben
Kinder starben. Insgesamt wird die Anzahl der jährlichen
EHEC-Erkrankungen in Deutschland auf 400 bis 800 pro Jahr
geschätzt. Die Verotoxine bestimmter E.coli-Stämme sind
besonders für Kleinkinder, ältere oder
immungeschwächte Patienten gefährlich. Die Folge einer
Infektion sind schwere schmerzhafte und blutende
Durchfälle mit Unterleibskrämpfen. Nach Abklingen der
Symptome kann das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS)
auftreten, bei dem Erythrozyten zerstört und die Niere
schwer geschädigt werden.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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