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Viren als Ursache der Kardiomyopathie

07.07.1997  00:00 Uhr

- Medizin

  Govi-Verlag

Viren als Ursache der Kardiomyopathie

  Weit häufiger als vermutet sind offensichtlich Viren die Ursache einer dilatativen Kardiomyopathie. Sie scheinen außerdem bei vielen Patienten autoimmunologische Prozesse in Gang zu setzen, die chronische Entzündungen verursachen und die Herzkraft schwächen. Das impliziert für die Zukunft völlig neue Therapiestrategien, wie Wissenschaftler in Köln auf einem Kongreß zur Herzinsuffizienz der "Working Group on Heart Failure" in der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie betonten.

Viral oder immunologisch vermittelte Kardiomyopathien machen laut Professor Dr. Heinz-Peter Schultheiss wahrscheinlich die größte Gruppe unter den Erkrankungen des Herzmuskels aus. So ließ sich bei 40 Prozent der Myokarditiden und 30 Prozent der dilatativen Kardiomyopathien ohne sonstige Zeichen einer Infektion per Polymerase-Kettenreaktion (PCR) virale RNA nachweisen; nicht selten kann mit den modernen molekularbiologischen Methoden sogar eine aktive Virusreplikation aufgedeckt werden.

Da die inflammatorischen Prozesse heutzutage weit besser als früher zu identifizieren sind, sollte bei dilatiertem Ventrikel auf eine Herzbiopsie nicht verzichtet werden. Allerdings muß, so Schultheiss, die Möglichkeit der molekularbiologischen Diagnostik gegeben sein. Von 309 derart untersuchten Patienten, bei denen normalerweise die Diagnose "idiopathische Kardiomyopathie" gestellt worden wäre, wurde mit dieser Methodik in 56 Prozent der Fälle ein histologisch pathologischer Befund verifiziert. 90 Prozent der Patienten zeigten eine verstärkte HLA-Expression als Zeichen eines aktiven immunologischen Geschehens. Gleichzeitig wurde eine stärkere Expression von Adhäsionsmolekülen auf intrakardialem Gewebe dokumentiert.

Die Virusinfektion kann offensichtlich einen Entzündungsprozeß einleiten, der seinerseits zu zellulären Infiltraten, zur Zytokinausschüttung und zur Aktivierung des Endothels führt. Dies bewirkt eine weitere Zytokinfreisetzung und wie in einem Teufelskreis entwickelt sich ein chronischer Entzündungsprozeß mit der Folge der Myokarditis und der Herzinsuffizienz.

Die weiteren Untersuchungen lieferten nach Angaben des Mediziners den interessanten Befund einer Upregulation des ADP/ATP-Carriers im kardialen Gewebe mit der Verschiebung von Isoformen. Solche krankheitsspezifischen Veränderungen könnten erklären, warum das Myokard in ein Energiedefizit kommt. Sie korrelieren mit tierexperimentellen Befunden, wonach die Herzarbeit um so stärker eingeschränkt ist, je niedriger die ATP-Spiegel in den Myokardzellen sind.

Derzeit geht man nach Schultheiss davon aus, daß es auf dem Boden einer viralen Persistenz zur veränderten Expression und zu Verschiebungen der Aktivität des ADP/ATP-Carriers mit entsprechend verminderter Transportaktivität kommt. Dies könne sich in einer Störung des myokardialen Energiestoffwechsels niederschlagen und eine Herzinsuffizienz provozieren. Chronische Entzündungsprozesse stimulieren dabei strukturelle Veränderungen im Sinne eines Remodelling, forcieren Zelluntergänge und bewirken so eine Progression des Geschehens.

Um diese Prozesse zu durchbrechen, bedarf es nach Schultheiss einer nach Krankheitstypen differenzierten Therapie, die der Pathogenese Rechnung trägt. Bei chronisch persistierenden Virusmyokarditiden müsse die Konsequenz in der Gabe von Interferon bestehen, während bei chronisch autoimmunologischen Krankheitsformen eine immunsuppressive Behandlung versucht werden sollte. Bei rund 100 Patienten, die in Berlin nach dieser Strategie therapiert wurden, zeigte sich laut Schultheiss in 60 Prozent der Fälle eine erhebliche Besserung. Kontrollierte klinische Studien sollten nun folgen.

PZ-Artikel von Christine Vetter, Köln
   

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