Medizin
Sport und Diabetes passen prima zusammen. Entgegen der weit
verbreiteten Meinung, ein Typ-1-Diabetes bedeute für Kinder und junge
Erwachsene prinzipielles Sportverbot, ist die körperliche Bewegung sogar
eine unabdingbare Notwendigkeit, wenn frühzeitig Komplikationen,
besonders des Gefäßbetts, vermieden werden sollen.
Nach Auffassung von Professor Dr. Joseph Keul von der Universitätsklinik Freiburg
steht wettkampforientierter Leistungssport jugendlichen Diabetikern offen. Bei
richtiger Einstellung sind sogar sportliche Spitzenleistungen möglich. Das belegen
erfolgreiche Athleten wie Ulrich Viefers, Rennruderer und 1996 Olympiasieger im
Achter oder der Tennisprofi Lars Koslowski.
Diabetiker müssen jedoch unbedingt darüber informiert werden, daß die Intensität
und Dauer körperlicher Belastung die Wirkung von Insulin beeinflussen. Deshalb
sollten Zeitpunkt und Menge der zu verzehrenden Kohlehydrate und des
verabreichten Insulins individuell festgelegt werden. Mehr körperliche Aktivität
erfordert eine erhöhte Kohlenhydratzufuhr. Der Insulinbedarf kann dagegen auf
Grund einer verminderten peripheren Regulation der Glucoseverwertung sinken.
Sportmediziner empfehlen für Diabetiker besonders Ausdauersportarten wie
Jogging, Radfahren, Skifahren und Schwimmen. Jeden Tag ein oder zwei Stunden
Sport mit einem hohen Energieumsatz haben einen günstigen Einfluß auf die
Insulinsensivität, den Stoffwechsel, das Gefäßbett und Herz-Kreislauf-Funktionen.
Auf Fettstoffwechselstörungen, unter denen gerade junge Diabetiker häufig leiden,
wirkt sich der erhöhte Energieumsatz besonders vorteilhaft aus. Natürlich tut der
Sport auch der Psyche gut. Jugendliche Diabetiker, die sich regelmäßig bewegen
sind meist ausgeglichener, denn die körperliche Betätigung hebt das Selbstwertgefühl
und hilft, die Krankheit besser zu bewältigen.
Daß junge Zuckerkranke durchaus auch Extremsportarten betreiben können,
belegen wissenschaftlich betreute Tauchkurse. Zwar besteht seit Jahren ein
undifferenziert verhängtes Tauchverbot für Diabetiker, fundierte Daten für diese
Restriktion fehlten aber bislang. 1995 wurde deshalb ein erster Tauchkurs auf Papua
Neuguinea durchgeführt. Im folgenden Jahr organisierten Wissenschaftler eine
Anschlußstudie mit neun gut trainierten, geschulten Typ-1-Diabetikern und fünf
Nichtdiabetikern. Keiner der Stoffwechselkranken litt unter diabetischen
Folgeschäden, Suchtproblemen oder schweren Hypoglykämien. Vor und nach
jedem circa einstündigen Tauchgang wurden Blutglucose, Hämatokrit, Blutdruck,
Puls und Flüssigkeitszufuhr gemessen.
Die morgens und abends gemessenen Elektrolyt-, Blutdruck-, Puls-, Mikroalbumin-,
Protein- und pH-Werte zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen
Diabetikern und Nichtdiabetikern. Bei keinem der Taucher kam es zu
hypoglykämischen oder ketoazidotischen Entgleisungen. Die Studienleiter
schlußfolgerten: Bei einer sorgfältigen Auswahl der Teilnehmer und einem speziell
konzipierten Tauchkurs können auch insulinpflichtige Diabetiker sicher tauchen.
Die Wissenschaftler sind sich einig: Diabetes soll auf keine Fall junge Menschen am
Sporttreiben hindern. Durch eine positive Stoffwechselwirkung, bessere
Krankheitsbewältigung und mehr Compliance bietet Sport den Diabetikern sogar
eine hervorragende Grundlage, Spätfolgen zu verzögern.
PZ-Artikel von Ulrich Brunner, Eschborn
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