Medizin
Die Methadon-Substitution ist
grundsätzlich zur Behandlung der Opiatabhängigkeit
geeignet, sie unterbindet nicht das langfristige Ziel
eines Lebens ohne Sucht, und ihre Erfolgsquoten liegen in
der gleichen Größenordnung wie die einer
Abstinenztherapie. Dies ist das Ergebnis des ersten
deutschen Methadon-Erprobungsprogramms, das von 1988 bis
1992 in Nordrhein-Westfalen (NRW) mit 244
Langzeit-Heroinabhängigen lief. Nach erneuter Befragung
der Teilnehmer 1996, vier Jahre nach Projektende, wurden
die längerfristigen Auswirkungen der
medikamentengestützten Rehabilitation jetzt auf einer
Fachtagung des nordrhein-westfälischen Ministeriums für
Arbeit, Gesundheit und Soziales in Düsseldorf
vorgestellt.
In das Programm einbezogen waren
Heroinsüchtige, die im Durchschnitt seit rund 14 Jahren
an der Spritze hingen und mindestens zwei erfolglose
Abstinenztherapien hinter sich hatten, das
Durchschnittsalter betrug 32 Jahre. Für die Nacherhebung
im vergangenen Jahr konnten noch 82 Prozent der 244
Programmteilnehmer erfaßt werden. Insgesamt zeigte sich,
daß 58 Prozent der Teilnehmer nach wie vor mit Methadon
substituiert werden (Haltequote). Ganz ohne Drogen leben
heute nur 6 Prozent. Irregulär beendet, beispielsweise
durch hohen Drogenbeigebrauch, wurde das Programm von 5
Prozent; 32 Patienten (13 Prozent) sind inzwischen tot.
Von 18 Prozent ist der derzeitige Behandlungsstatus nicht
bekannt.
"Es ging uns darum, ein zusätzliches
Behandlungsangebot zu schaffen, das neben der
Abstinenztherapie eine ergänzenden Weg zur
gesundheitlichen und sozialen Rehabilitation bei
Heroinabhängigkeit weisen konnte", resümmierte der
nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Dr. Axel
Horstmann auf einer angeschlossenen Pressekonferenz.
Viele Süchtige hätten die Abstinenzbehandlung
verweigert oder seien rückfällig geworden. Durch die
Wahlmöglichkeit zwischen Substitutions- und
Abstinenztherapie wolle das Land NRW jetzt möglichst
viele Süchtige ansprechen. Methadon sei dabei primär
zur gesundheitlichen und sozialen Stabilisierung gedacht,
betonte Horstmann. Obwohl man inzwischen "auch in
Teilzielen denke", sei das "langfristige
Maximalziel" nach wie vor die Drogenfreiheit.
Nur rund ein Drittel der einbezogenen Fixer gelten heute
als erfolgreich behandelt. In diese Kategorie fallen die
6 Prozent, die inzwischen weder von Heroin noch von
Methadon abhängig sind, und die 28 Prozent, die es
geschafft haben zumindest vom Heroin wegzukommen. Was so
ernüchternd klingt, liegt nach Horstmann in der gleichen
Größenordnung wie die Erfolgsquote bei
Abstinenztherapie. Als "Teilerfolge" wertet das
NRW-Gesundheitsministeriums weitere 12 Prozent, die
zumindest phasenweise drogenfrei sind, beziehungsweise
persönlich oder sozial stabilisiert werden konnten. Ein
Mißerfolg wurde bei 26 Prozent der Projektteilnehmer
registriert.
Die Quote der Straftaten sank bei den einbezogenen Fixern
von 52 Prozent vor Substitutionsbeginn auf jetzt 16
Prozent. Mit der Substitutionsdauer habe auch der
Drogenbeigebrauch abgenommen; das Risiko für Suizid-
oder Drogentod liege unter der Substitution rund 15mal
niedriger als bei erfolglosem Abbruch, resümierte Dr.
Clemens Rösinger von der Rheinischen Landes- und
Hochschulklinik. Die berufliche Rehabilitation der
Betroffenen sei allerdings insgesamt schlecht: Bei
Projektbeginn hatten 31 Prozent einen Ausbildungs- oder
Arbeitsplatz, inzwischen nur noch 27 Prozent.
Insgesamt habe er nur vier kontrollierte randomisierte
Studien gefunden, berichtete Stöhler. Diese hätten die
gleiche Tendenz gezeigt wie das NRW-Projekt: Die
substituierten Gruppen waren den Kontrollgruppen
(Verhaltenstherapie) jeweils im Hinblick auf illegalen
Drogenkonsum, Kriminalität und suchtbedingte Mortalität
überlegen. Außerdem habe die Recherche eine
Abhängigkeit des Therapieerfolgs von der Höhe der
Methadondosierung ergeben. Am effektivsten sei offenbar
eine "genügend hohe Dosierung" (> 50 mg
Methadon/d), kombiniert mit umfangreicher psychosozialer
Betreuung, da ein Großteil der Betroffenen auch
psychisch krank sei. Als weitere Einflußfaktoren zeigten
sich laut Stöhler das Einstiegsalter und die Dauer des
Drogenkonsums: "Je früher der Beginn und je länger
die Konsumdauer, desto schlechter ist die Prognose."
Um weitere Aussagen zur Kosten-Nutzen-Relation der
Methadonsubstituion zu bekommen, wurde im Anschluß an
das NRW-Erprobungsprojekt seitens der gesetzlichen
Rehabilitationsträger (Renten- und Krankenversicherungs-
sowie Sozialhilfeträger) ein eigenes Pilotprojekt zur
Methadon-gestützten Rehabilitation gestartet, das Ende
März nächsten Jahres ausläuft. Nach seiner positiven
Auswertung solle die Methadonsubstitution in Deutschland
finanziell abgesichert werden, hieß es in Düsseldorf.
Fest stehe jedoch bereits jetzt, daß qualifizierte
Substitutionsbehandlung den Sozialleistungsträgern
Ausgaben spare; hinzu kämen Kosteneinsparungen für die
Gesellschaft, unter anderem durch den erwiesenen
Rückgang der Drogenkriminalität unter Substitution.
Allein bei den 8000 derzeit in NRW Substituierten könne
man von einer Senkung der Beschaffungskosten um etwa eine
halbe Milliarde DM ausgehen.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Düsseldorf
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