Medizin
Ein Candida-Hyposensitivitäts-Syndrom gibt es nicht, Antipilz-Diäten
sind unsinnig und Stuhluntersuchungen auf Pilze sollte man vergessen, da
bis zu 80 Prozent aller Gesunden dort Pilze, meist Candida albicans
aufweisen.
So die eindeutige Stellungnahme von Professor Dr. Wolfgang Rösch, Chefarzt der
Medizinischen Klinik des Frankfurter Nordwest-Krankenhauses, zu der in
Laienmedien oft und gern geschürten Hysterie um vermeintlich pathologische
Auswirkungen einer intestinalen Pilzbesiedlung. Die Hypothese von der angeblich
schädigenden Wirkung des Candida-Syndroms sei nie bewiesen worden. Bereits
1986 habe die Amerikanische Akademie für Allergologie und Immunologie sie als
spekulativ abgetan, stellte Rösch am 11. März bei einer Pressekonferenz der
Gastro-Liga in Frankfurt klar.
All dem zum Trotz geistert das Candida-Syndrom hierzulande weiter als
Modekrankheit durch Medien und Köpfe und muß für eine Vielzahl von
Befindlichkeitsstörungen herhalten, angefangen bei Herzbeschwerden, Blähungen
und Heißhungerattacken über Nahrungsmittel- und Alkoholunverträglichkeit,
Übergewicht und chronischer Müdigkeit bis hin zu Arthritiden und Myalgien. Für
Rösch eine abstruse Überschätzung eines an sich gar nicht vorhandenen
Krankheitsbildes.
Bei 30 bis 80 Prozent, nach Antibiotikatherapie sogar bei bis zu 100 Prozent der
gesunden Bevölkerung, ließen sich in der intestinalen Mikroflora Keimzahlen von
10
2 bis 10
3/g Stuhl nachweisen; bei normaler Immunabwehr habe dies jedoch keine
pathologische Bedeutung, betonte der Mediziner, der gleichzeitig den oft diskutierten
Zusammenhang zwischen chronischen Hauterkrankungen und einer Pilzbesiedlung
des Darmes als unwahrscheinlich abtat.
Candida albicans habe eine hohe Affinität zum glykogenhaltigen Plattenepithel in
Mund, Vagina und After. Im Zylinderepithel von Magen, Dünn- und Dickdarm sei
der Hefepilz jedoch nicht nachweisbar. Der Pilzbefall im Stuhl von Patienten mit
chronischer Urticaria, Ekzem oder Psoriasis sei dementsprechend nicht signifikant
höher als bei Gesunden.
Eine Dauer-Antimykotikatherapie bei gesunden, asymptomatischen Patienten mit
positivem Pilznachweis im Stuhl lehnt Rösch kategorisch ab. "Man sollte Pilze im
Stuhl vergessen, gar nicht erst danach suchen, dann muß man sie auch nicht
behandeln." Es gebe derzeit keinen Grund und kein Medikament, mit dem eine
dauerhafte Eradikation im Darm befindlicher Hefepilze gelingt. Spätestens eine
Woche nach Absetzen eines Antimykotikums seien in der Regel wieder Pilze im
Stuhl nachweisbar.
Floraregeneration statt Pilze eradizieren
Richtig sei im Zuge der ganzen Pilzdiskussion, daß Antibiotika zu
Candida-induzierten Durchfällen führen können, räumte der Referent ein. Gegen eine
rund einwöchige Behandlung etwa mit Nystatin sei in solchen Fällen nichts
einzuwenden. Rösch zieht der Pilzeradikation jedoch eine Wiederherstellung der
normalen Darmflora durch Gabe von Saccharomyces boulardii vor (zum Beispiel
Perenterol). Auf diese Weise habe man bei Antibiotika-induzierten Durchfällen
sowie unter anderem auch bei Reisidiarrrhoe gute Erfolge erzielt.
Floraregenerierende Effekte lassen sich nach seinen Worten auch mit
Lactobacillus-haltigen Joghurts erreichen. Röschs Tip daher: "Wenn man gern
Joghurt ißt, sollte man Produkte mit solchen Bakterienkulturen nehmen."
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Frankfurt am Main
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