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Medizin

Datum 12.04.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Gentherapie der Hämophilie B beim Hund erfolgreich

von Susanne Kretschmer, Wuppertal

In Tierversuchen gibt es Erfolge bei der Therapie einer genetisch bedingten Mangelkrankheit mit Hilfe der Gentechnik. Zwei Forscherteams (1, 2) ist es gelungen, bei Hunden mit angeborener Haemophilie B die Defizienz des Blutgerinnungsfaktors IX durch gezielte Genübertragung partiell zu korrigieren.

Dabei übertrugen sie mit gentechnisch veränderten Adeno-assoziierten Viren das Gen, das bei Hunden den Faktor IX codiert, in Muskel- beziehungsweise Leberzellen. Das transferierte Gen wurde über mehrere Monate exprimiert, und die Forscher konnten eine anhaltende Verbesserung der Blutgerinnung der Hunde feststellen.

Haemophilie ist eine mit dem X-Chromosom assoziierte rezessive Blutgerinnungskrankheit an der einer von 5000 Männern erkrankt. Ihre Ursache liegt in der Defizienz des Blutgerinnungsfaktors VIII (Haemophilie A, 80 Prozent) oder des Blutgerinnungsfaktors IX (Haemophilie B, 20 Prozent). Die Erkrankten leben mit dem ständigen Risiko spontaner Blutungen, die entweder lebensbedrohlich sind oder zu chronischen Beschwerden wie schwerer Arthritis führen können. Die akuten Blutungen werden mit Infusion der Koagulationsfaktoren therapiert (2, 3).

Faktor VIII und Faktor IX werden meist mit einem gentechnischen Verfahren aus Babyhamsternierenzellen hergestellt (4). Koagulationsfaktoren, die aus menschlichem Spenderblut isoliert wurden, waren in der Vergangenheit mit dem Risiko einer HIV- oder Hepatitis-Infektion behaftet.

Die Klinischen Erfahrungen der letzten 25 Jahre zeigen, daß bei einer Dosierung von Faktor IX bereits geringe Bruchteile der normalen Konzentration ausreichen, um die Häufigkeit der spontanen Blutungen bei Patienten mit Haemophilie B zu reduzieren. Allerdings wird Faktor IX im Blut schnell abgebaut und die Infusionen müssen häufig wiederholt werden (1). Deshalb versuchen Forscher, die Gene, die für Faktor VIII oder Faktor IX codieren, gezielt in menschliche Zellen zu schleusen. Dort soll das eingebrachte Erbgut die angeborenen Blutgerinnungsdefizienzen kompensieren.

Fremde Gene können in vivo mit Hilfe viraler Vektoren in Körperzellen geschleust werden (Transduktion). In klinischen Studien werden im wesentlichen Retroviren und Adenoviren eingesetzt, neuerdings auch Adeno-assoziierte Viren (AAV). Das Genom der Retroviren liegt auf einer Einzelstrang-RNA und wird nach der Infektion in der Wirtszelle mit Hilfe der viralen reversen Transkriptase in eine doppelsträngige DNA (provirale DNA) überführt wird. Vorteile für die Verwendung von Retroviren als Vektoren liegen darin, daß sie die Fähigkeit besitzen, provirale DNA in das Wirtsgenom zu integrieren und damit eine Integration der fremden DNA über die gesamte Lebensspanne der Zelle zu gewährleisten. Einschränkungen bestehen darin, daß Retroviren DNA nur in sich aktiv teilende Zellen integrieren können und daß die Effizienz der Transduktion durch die Wirtsspezifität des Virus limitiert ist.

In klinischen Gentransferversuchen werden Retroviren eingesetzt, die vom Moloney Maus Leukaemie Virus (MMLV) abstammen, einem Onkovirus, das als Wildtyp Leukämie und Lymphome in Mäusen induzieren kann. Adenoviren (Serotyp 5) finden ebenfalls in vielen klinischen Studien Anwendung als Gentransfersystem. Adenoviren besitzen eine doppelsträngige DNA, die auch größere Fremdgene aufnehmen kann. Ihre DNA wird nicht ins Wirtsgenom integriert, so daß keine Insertionsmutagenese auftreten kann. Die Expression ist nur vorübergehend, was allerdings in Fällen, in denen eine Langzeitexpression erwünscht ist, nicht von Vorteil ist. Ein weiterer Nachteil von adenoviralen Vektoren liegt in ihrer hohen Immunogenität.

Mit Adeno-assoziierten Viren (AAV) sind gerade in jüngster Zeit eine Reihe von präklinischen Studien und eine klinische Studie durchgeführt worden. Adeno-assoziierte Viren gehören zu den Parvoviridae und kommen im Menschen pandemisch vor. Diese sogenannten Dependoviren benötigen eine Coinfektion mit einem unabhängigen Helfer-Virus (Adenovirus), um sich zu vermehren. Ohne ein Helfer-Virus gelangen AAV in das Genom der Wirtszelle, bleibt dort aber als Proviren.

Für den Gentransfer wird der Typ AAV-2 eingesetzt. AAV Vektoren haben den Vorteil, daß der Wildtyp keine Zellteilung zur Integration benötigt, einen breiten Wirtsbereich hat und nicht pathogen ist (5, 6). Während Wildtyp AAV jedoch DNA ortsspezifisch ins humane Genom integriert, ist dies für die gentechnisch veränderten AAV- Vektoren (rekombinanten AAV) offenbar nicht der Fall (6). Deshalb besteht der Nachteil einer möglichen Insertionsmutagenese. Weiterhin ist es schwierig, Viruspräparate mit hohem Titer zu erhalten. Diese sind leicht mit Wildtyp AAV und Helferadenovirus verunreinigt (5).

Die beiden oben erwähnten Tierversuche wurden mit rekombinanten Adeno-assoziierten Viren durchgeführt, die das Gen, das bei Hunden den Faktor IX codiert, enthielten. Dabei ersetzte das Faktor IX Gen fast das gesamte Genom des Virus. Bei beiden Versuchsanordnungen wurde Faktor IX über mehrere Monate hinweg anhaltend gebildet, und etwa 1 Prozent des natürlichen Faktor-IX-Spiegels wurden in den behandelten Hunden nach dem Gentransfer erreicht.

Immunreaktionen, hervorgerufen durch die Bildung von Faktor IX, waren im Verlauf beider Versuche entweder nicht nachweisbar oder nur vorübergehend. Ebenso wiesen die Forscher in beiden Versuchen eine fortdauernde Verbesserung der Blutgerinnung nach.

Die Blutgerinnungsfaktoren VIII und IX werden normalerweise in der Leber gebildet. Im Gegensatz zu Faktor VIII kann Faktor IX auch in Muskelzellen gebildet werden und ins Blutplasma gelangen. Deshalb injizierten R. W. Herzog und Kollegen die Virussuspension intramuskulär, und nahmen so nur einen minimal invasiven Eingriff vor (1).

Die Infusion der Vektorsuspension in die Vena portalis, wie bei R.O. Snyder und Kollegen beschrieben, erfordert einen größeren Eingriff. Jedoch könnte dieses Versuchsmodell auch auf die Transduktion von Leberzellen mit viralen Vektoren übertragen werden, die das Faktor VIII codierende Gen enthalten (2).

Literatur:

  1. Herzog, R. W., et al., Nature Med. 5 (1999) 56 - 63.
  2. Snyder R. O., et al., Nature Med. 5 (1999) 64 - 70.
  3. Linden R. M., Woo, S.L.C., Nature Med. 5 (1999) 21 - 22.
  4. Rehm, H.-J., Reed, G. (Hrsg), Biotechnology Vol. 5a, Wiley - VCH Weinheim 1999.
  5. Prince H.M., Pathology 30 (1998) 335 - 347.
  6. Qing K., et al., Nature Med. 5 (1999) 71 - 77.

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