Medizin
Es gilt als erwiesen, daß zu
hohe Cholesterolwerte ein Risiko für die Entwicklung von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen. Was aber ist zu
hoch? Die Wissenschaft hat sich von einem festen
Schwellenwert verabschiedet, von Patient zu Patient
gelten nun je nach individuellem Risikoprofil andere
Richtwerte. Auch genetisch bedingte Störungen fließen
in eine Risikoabschätzung mit ein. Die Suche nach diesen
Genveränderungen bahnt sich langsam ihren Weg in die
ärztliche Praxis.
230 mg/dl Gesamtcholesterol können für den
einen Menschen noch normal, für den anderen schon
behandlungsbedürftig sein, erklärte Dr. Herbert
Schuster, Oberarzt am Max-Delbrück-Zentrum in
Berlin-Buch. Gesunde Patienten sollten mit ihren
LDL-Cholesterol-Werten unter 160 mg/dl bleiben,
Hypertoniker, Raucher, Diabetiker oder Patienten mit
familiärer Vorbelastung sollten dagegen Werte zwischen
115 und 135 mg/dl erreichen. Für Patienten, die
herz-kreislauf-krank sind, gelten sogar Zielwerte
unter100 mg/dl LDL-Cholesterol.
Diabetes oder Hypertonie können relativ leicht
diagnostiziert werden, nach defekten Genen wurde bisher
nicht konsequent gesucht. Am Max-Delbrück-Zentrum wurde
daher eine Abteilung eingerichtet, die Patienten mit
erhöhten Lipidwerten einer gezielten Familienanamnese
und molekulargenetischen Tests unterzieht. In Kooperation
mit dem Patienten, seinen Verwandten und den jeweiligen
Hausärzten werden Lipidwerte, Bypassoperationen oder
frühere Herzinfarkte ermittelt und verschlüsselt am
Computer in einen Stammbaum gegeben.
DNA-Analyse hilft bei Diagnose
Eine DNA-Analyse klärt noch verbleibende Zweifel. Sie
erleichtert zudem Differentialdiagnose und -therapie, da
sie Auskunft darüber gibt, an welcher Stelle im
Fettstoffwechsel die Störung vorliegt. Wird
beispielsweise ein LDL-Rezeptordefekt diagnostiziert, ist
eine cholesterolarme Diät nutzlos. Sind an der
Ausbildung der Hyperlipidämie mehrere Gene beteiligt,
sprechen die Patienten gut auf fettarme Kost an.
Inzwischen sind ungefähr 15 Gene bekannt, deren
Mutationen erhöhte Cholesterol- oder Triglyceridspiegel
auslösen können. Diese defekten Gene werden mit einer
Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent vererbt, und da sie
meistens dominant sind, erkrankt in den betroffenen
Familien ungefähr die Hälfte der Familienmitglieder. Im
Alter von 40 Jahren leiden 18 Prozent der Angehörigen
einer betroffenen Familie an koronarer Herzkrankheit, in
nicht belasteten Familien liegt der Anteil dagegen bei
zwei Prozent. Bei den 50jährigen beträgt das
Verhältnis 30 zu 5 und bei den 60jährigen 12 zu 52
Prozent.
Ist ein Gentest positiv, gehört der Patient mit
Sicherheit zur Risikogruppe und muß entsprechend
behandelt werden. Umgekehrt schließen allerdings
negative Ergebnisse eine Erkrankung nicht
hundertprozentig aus: Allein für das LDL-Rezeptor-Gen
sind weltweit ungefähr 250 Mutationen bekannt, sie
treten jedoch in den einzelnen Regionen der Erde
unterschiedlich gehäuft auf. In Deutschland werden daher
im Durchschnitt nur 20 Mutationen untersucht. Der Träger
einer hier seltenen DNA-Veränderung schlüpft damit
durch die Maschen.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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