Medizin
Hyperforin-reicher Johanniskrautextrakt ist bei leichten bis
mittelschweren Depressionen signifikant wirksamer als Placebo; ein Auszug
mit geringer Hyperforinkonzentration zeigt zwar auch positive Effekte, aber
keine signifikant bessere Wirkung als Placebo.
Dieses Resümee zieht Professor Dr. Gregor Laakmann von der Psychiatrischen
Klinik der Universität München aus einer dreiarmigen placebokontrollierten
Doppelblindstudie mit 147 leicht bis mittelschwer depressiven Patienten. Diese
hatten über 6 Wochen entweder dreimal täglich Placebo erhalten oder dreimal
täglich 300 mg Hyperforin-armen, beziehungsweise Hyperforin-reichen
Johanniskrautextrakt. Der Hyperforin-arme Extrakt enthielt 0,5 Prozent, der
Hyperforin-reiche Auszug etwa 5 Prozent Hyperforin, die Konzentration anderer
Johanniskraut-Inhaltstoffe war jeweils gleich.
Jede der drei Gruppen umfaßte 49 ambulante Patienten. Das Durchschnittsalter lag
zwischen 49 und 51 Jahren; etwa zwei Drittel der Probanden waren Frauen.
Studienziel sei es gewesen, so Laakmann, die Bedeutung des Inhaltsstoffes
Hyperforin zu untersuchen.
Hauptzielparameter war die Änderung des HAMD-Scores
(Hamilton-Depression-Rating-Score) der Patienten zwischen Tag 0 und Tag 42. Als
Begleitzielparameter wurde die Depressivitätsskala zur Selbsteinstufung nach von
Zerssen (D-S-Skala) herangezogen sowie der klinische Gesamteindruck (CGI) und
das globale Patientenurteil (GPU). Auf allen Untersuchungsebenen sei der
Hyperforin-reiche Extrakt (Neuroplant 300) signifikant wirksamer gewesen als
Placebo, faßte Laakmann bei einer von Schwabe initiierten Pressekonferenz in
Frankfurt zusammen. Man habe die Studie daher zu diesem Zeitpunkt abgebrochen.
Auch der direkte Vergleich zwischen den beiden Johanniskrautextrakten spricht
nach Ausssage des Referenten für den Hyperforin-reichen Auszug. Mit diesem habe
sich eine höhere Responderrate für Patienten gezeigt, deren HAMD-Score sich um
über 50 Prozent gegenüber dem Ausgangsbefund besserte. Außerdem hätten sich
Therapievorteile bei deutlich mittelschwer depressiven Patienten mit einem
Ausgangs-HAMD >= 22 gezeigt: Der Score verbesserte sich bei diesem
Schweregrad durch die Gabe des höher konzentrierten Extraktes etwa doppelt so
stark (12,0 versus 6,6 Punkte) wie mit dem Hyperforin-armen Auszug. Die
Unterschiede seien allerdings nicht signifikant gewesen. Die Verträglichkeit beider
Extrakte war laut Laakmann vergleichbar mit der von Placebo.
Als Behandlungsdauer empfiehlt der Münchner Mediziner zunächst die rund
sechswöchige Anwendung. In dieser Zeit sei zu erkennen, ob ein Patient auf ein
Johanniskrautpräparat anspricht oder nicht. Non-Responder sollten spätestens nach
acht Wochen auf eine andere Behandlung umgestellt werden; Respondern rät
Laakmann zur drei- bis sechsmonatigen Weiterbehandlung mit dem Extrakt. Über
die Anwendung von Johanniskraut zur Phasenprophylaxe gebe es bisher keine
Studie, räumte er ein. Auch zum direkten Vergleich zwischen dem pflanzlichen
Antidepressivum und chemischen Wirkstoffen fehlten aussagekräftige
Studienergebnisse.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Frankfurt
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