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Schmerzpatienten sparen mit Musik Arznei ein

10.03.1997  00:00 Uhr

- Medizin

  Govi-Verlag

Schmerzpatienten sparen mit Musik Arznei ein

  Daß Musik Angst reduziert und die Entspannung bei Operationen fördert, hat man allenthalben schon mal gehört. Wissenschaftliche Studien fehlten aber bisher. Auf dem Deutschen Schmerztag in Frankfurt stellte Dr. Ralph Spintge vom Krankenhaus für Sportverletzte Hellersen klinische Studien vor, die beweisen, daß Patienten durch spezielle Musikprogramme vor einer Operation weniger Streßhormone, dafür aber mehr Beta-Endorphine produzieren als Patienten, die konventionell operiert werden. "Mit Musik lassen sich bis zu 50 Prozent Schmerz- und Beruhigungsmittel einsparen", sagte Spintge.

Mit "Kunst gegen Schmerzen" widmete sich der Deutsche Schmerztag einem Randthema der Medizin. Jedoch werden Musik- und Tanztherapien als Ergänzung zur Schulmedizin in der Behandlung von Schmerzzuständen immer wichtiger. "Eine künstlerische Betätigung kann den Zugang zu den Problemen hinter dem Schmerz eröffnen, der dem kritischen Verstand verstellt ist", erklärte der Präsident der Veranstaltung, Dr. Thomas Flöter. Musik, Tanz, Rhythmus und Bildnerische Gestaltung seien in der Lage, unsere Seele zu bewegen und zu ergreifen - genau wie der Schmerz.

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt untersuchen Spintge und seine Kollegen vom Forschungszentrum Jülich und der Universität Berlin, wie Musik auf das Nervensystem wirkt. Rhythmus spiele dabei eine zentrale Rolle, da auch vitale Lebensvorgänge wie Atmung, Herzschlag oder Schlaf einer Rhythmizität unterliegen. Die musikalischen Rhythmen spiegeln physiologische Rhythmen wider, sagte Spintge. Physiologische Rhythmen sind ebensowenig konstant wie musikalische. Die Schlagfrequenz des Herzens unterliegt einer Spontanvariabilität. Spintges Hypothese: Beim Gesunden ist die Variabilität dieser Rhythmen hoch, bei Angst und Schmerz nimmt sie ab.

Chronische Schmerzen gehen immer mit einem erhöhten Muskeltonus, mit vegetativen Begleitsymptomen und Schlafstörungen einher. Musik, deren Rhythmusvariabilität jener des physiologischen Zustandes gleicht, wirke sich günstig auf die starren Körperrhythmen der Patienten aus. "Vor der eigentlichen Therapiesitzung senken wir dadurch den Muskeltonus und die innere Anspannung. Die Schmerzschwelle wird angehoben", erklärte Spintge. Ruhe und Entspannung kehrten schon nach etwa zehn Minuten ein. Spintge arbeitet mit CD-Player und Kopfhörern, die die Patienten vor und während der Sitzung aufhaben.

Bei der eigentlichen Therapie gebe es recht unangenehme Maßnahmen wie Nervenblockaden, führte Spintge aus. Für solche Eingriffe wurden spezielle Musikprogramme entwickelt, damit die Patienten die Behandlung schmerzärmer erleben. Befragungen von Betroffenen bestätigen in der Tat eine geringere Schmerzwahrnehmung. Der Bedarf an Analgetika und Beruhigungsmitteln könnte bei manchen Patienten um bis zu 50 Prozent gesenkt werden.

Zusammen mit US-amerikanischen Ärzten analysierte Spintge die Wirkung von Musik auf die Variabilität der Puls- und Atemfrequenz von Frauen während der Geburt. Messungen von Puls, Hauttemperatur und Muskelspannung belegen, daß Frauen während der Geburt entspannter waren, wenn sie Musik hörten. Zwar ist die durchschnittliche Herzfrequenz bei allen Frauen gleich. Doch die Variabilität der Frequenz liegt bei den entspannten Gebärenden höher.

Derartige Effekte konnte eine Studie mit Rückenschmerz-Patienten nicht aufweisen, sagte Spintge. Weder tonale (Bach) noch atonale (Stockhausen) Musik konnte die Variabilität des Herzrhythmus beeinflussen. Spintge wertet dies als Hinweis darauf, daß die Musik das parasympatische Nervensystem nicht anrühren konnte. Allerdings zeigten sich Änderungen in der Atemfrequenz variabler, die Klänge Stockhausens dagegen schränkten die Frequenz ein. Das lasse den Schluß zu, daß die Musik das autonome Nervensystem beruhige, sagte Spintge.

PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt
       

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