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Forscher dämpfen Hoffnung auf neue Wunderwaffe gegen HIV

08.02.1999  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Forscher dämpfen Hoffnung auf neue Wunderwaffe gegen HIV

PZ/dpa. Westafrikanische Schimpansen sind einer deutschen Forscherin zufolge die Quelle des Erregers HIV-1, dem Hauptverursacher der Aids-Pandemie. Beatrice Hahn hat große Ähnlichkeiten in den Genen des Aids-Virus und des entsprechenden Erregers in Affen (SIV) entdeckt. Hahn und ihre Mitarbeiter von der Universität von Alabama in Birmingham (USA) fanden bei der westafrikanischen Unterart der Schimpansen Pantroglodytes troglodytes einen Stamm der Affen-Retroviren namens SIVcpzUS, der allen bekannten Untergruppen des menschlichen HIV-1 stark ähnelt. Andere bei Schimpansen gefundenen SIV-Typen unterscheiden sich dagegen so stark vom menschlichen HI-Virus, daß sie als Ursprung der Seuche kaum in Frage kommen.

Die genetische Untersuchung zeigte, daß alle drei HIV-1-Typen, die den Menschen infizieren, durch kleine Änderungen aus dem SIV der westafrikanischen Schimpansen hervorgegangen sein könnten, berichten die Wissenschaftler. Für diesen Ursprung spreche auch, daß das Verbreitungsgebiet der Affen genau dem entspreche, in dem die ersten Aids-Fälle bei Menschen auftraten. Die Untersuchungen machen es wahrscheinlich, daß drei Untertypen von SIV unabhängig voneinander von den Schimpansen auf den Menschen übergingen. Wahrscheinlich infizierten sich die Menschen durch das Blut von Tieren, die zum Verzehr geschlachtet wurden.

HIV-1 ist der häufigste Erreger von Aids, mit dem heute schätzungsweise 30 Millionen Menschen infiziert sind. Der andere Typ HIV-2 wurde bereits 1997 mit genetischen Methoden auf eine Art der Mangaben zurückgeführt, einer ebenfalls in West- und Zentralafrika vorkommenden, meerkatzenartigen Affengruppe. Die Forscher hoffen, daß mit der Entdeckung des Ursprungs des Haupt-Aidsvirus neue Wege bei der Suche nach einem Impfstoff gefunden werden könnten. "Die Schimpansenart, die die Quelle unseres HIV-1-Fundes war, könnte uns vielleicht auch verraten, wie das Virus zu kontrollieren ist", vermutet Hahn.

"Das Ergebnis ist hochinteressant für die Grundlagenforschung, hat aber noch keine praktische Bedeutung", sagte dagegen Professor Dr. Helga Rübsamen-Waigmann, Leiterin der Viren-Forschung des Pharmaunternehmens Bayer in Wuppertal. Der Ursprung von HIV liege vermutlich Jahrhunderte zurück. Erst nach den Kolonialkriegen und mit dem Bau der Verkehrswege habe sich das Virus über Afrika und später mit dem Massentourismuns weltweit ausgebreitet. "Für Impfstoffe oder Medikamente nützt die Erkenntnis nichts, weil Affen und Menschen zu unterschiedlich sind", meint Rübsamen-Waigmann.

Auch Professor Dr. Georg Pauli vom Robert Koch-Institut in Berlin ist sicher, daß sich keine Impfstoffe daraus ableiten lassen. "Dazu verändert sich das Virus zu schnell." Allerdings hofft auch Pauli, daß Schimpansen Hinweise auf eine Abwehr gegen den Erreger geben können.

Einen Dämpfer bei der Suche nach einer Aidsvakzine erlitt die Crew um Ruth Ruprecht vom Dana-Farber-Krebsinstitut in Boston, Massachusetts (USA). Sie hatte Affen mit einer abgeschwächten Version von lebenden SI-Viren geimpft. Den Viren waren im Labor drei wichtige Gene entnommen worden. Nef, vpr und NRE spielen eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Erregers im Körper.

Doch selbst in abgeschwächter Form gelang es dem Virus, sechs von acht jungen Affen anzustecken. Die anderen zwei zeigen ebenfalls schon frühe Warnzeichen einer Störung ihres Immunsystems, berichten Ruprecht und Kollegen in der Ausgabe von Nature Medicine vom 2. Februar 1999. Von 16 erwachsenen Affen, die die US-Forscher mit dem gleichen Impfstoff aus abgeschwächten Erregern behandelt hatten, erkrankten bisher vier Tiere, eines davon starb.

In früheren Experimenten hatten Aidsforscher unter anderem Impfstoffen getestet, denen sie ein (nef) oder zwei (nef, vpr) Gene entnommen hatten. Nach dem jüngsten Mißerfolg schlußfolgert das Team, daß dieses SI-Virus mit mehreren gelöschten Genen krankheitserregend ist und Aids-Impfstoffe, die auf ähnlichen Prototypen basieren, Aids erzeugen können.

Auch auf dem größten interdisziplinären Wissenschaftskongreß der Welt im kalifornischen Anaheim dämpften Experten die Hoffnung auf einen verläßlichen Impfstoff in naher Zukunft. David Baltimore, einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Impfstoff-Forschung, äußerte sich skeptisch zu den Entwicklungschancen einer Vakzine innerhalb der nächsten zehn Jahre.

Sally Blower und Kollegen von der Universität von Kalifornien in San Francisco stellten ein mathematisches Modell vor, das die Resistenz des HI-Virus gegen die neuen Kombinationstherapien mit einbezieht. Ihr Modell kommt zu dem Ergebnis, daß die medikamentöse Behandlung weiterer HIV-Infizierter unter striktester Aufsicht die Zahl der Neuinfektionen in den kommenden zehn Jahren um 15 bis 20 Prozent reduzieren könnte. Ohne die entsprechende Kontrolle aber könnte das Heer der HIV-Infizierten noch erheblich anschwellen, warnte Blower in Anaheim.

Sie errechnete eine Zuwachsrate von 20 Prozent in zehn Jahren für den Fall, daß das Virus durch die Ausdehnung der Therapien bei unzureichender Aufsicht mehr Möglichkeit zur Resistenzbildung erhielte. Studien zeigen laut Blower, daß etliche Patienten bei mangelnder Aufsicht dazu neigen, sich nach einiger Zeit nicht mehr voll an die vorgeschriebenen Einnahmezeiten und Tablettenmengen zu halten. Damit erhalte das Virus die Chance, sich durch genetische Mutation zu wandeln und in neuer, leicht veränderter Version der Schlagkraft der Medikamente zu entgehen. Die neuen, resistenten HIV-Stämme könnten sich wie Strohfeuer ausweiten und die globale Aids-Epidemie noch verschlimmern, sagte Blower.

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