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Suche nach optimalem Knorpelersatz

31.01.2005  00:00 Uhr
Arthrosetherapie

Suche nach optimalem Knorpelersatz

von Wolfgang Kappler, Homburg

Die Behandlung der Arthrose ist verbesserungswürdig, denn Knorpeldefekte lassen sich nur schwer so beheben, dass das Gelenk der hohen Belastung gut standhält. Homburger Wissenschaftler nutzen nun den Gentransfer, um mit sich schnell teilenden Knorpelzellen dem Schaden besser beizukommen.

Das Knorpelgewebe ist für die Gelenkfunktion unabdingbar. So bezeichnen Orthopäden es auch als „Herz eines gesunden Gelenkes“. Wird dieses Gewebe beim Erwachsenen infolge eines Unfalls verletzt, regeneriert es sich nicht mehr. Der Defekt kann heftige Schmerzen und Bewegungsprobleme verursachen und zum Nährboden einer Arthrose werden. In Deutschland leiden rund fünf Millionen Menschen an Gelenkverletzungen und Arthrosen. Da die komplette Heilung von Knorpeldefekten bislang noch nicht möglich ist, versuchen Mediziner mit der Behandlung, entstandene Löcher zu stopfen, doch die „Füllung“ hat eine wesentlich schlechtere Qualität.

Im Labor für experimentelle Orthopädie am Universitätsklinikum Homburg hat Privatdozent Dr. Henning Madry einen entscheidenden Schritt zur Verbesserung der Behandlung von Knorpeldefekten unternommen. Seiner Gruppe gelang es, genetisch veränderten Knorpelzellen mit optimierten Eigenschaften und hoher Teilungsrate herzustellen. Eingebettet in einem aus Meeresalgen hergestellten Gel, verbesserten die Zellen die Struktur und Funktion von künstlichem Knorpelersatzmaterial und im Tierversuch die Reparatur der Knorpelverletzung.

Unausgereifte Verfahren

Seit 300 Jahren wissen Mediziner, dass sich nach einer Verletzung die weißlich-glänzende Gelenkknorpelschicht nicht mehr regeneriert – mit einer Ausnahme: Ist die Verletzung tief genug, wird sie von aus dem Knochenmarkraum austretendem Material aufgefüllt. Seit 40 Jahren machen sich Orthopäden dies zunutze, indem sie feine Löcher in den Verletzungsbereich bohren. Das aus Knochenmark-Stammzellen entstehende Reparaturgewebe ist allerdings von minderer Qualität und hält den hohen Belastungen nur selten stand. Unbefriedigend ist auch jenes Verfahren, bei dem aus einem weniger belasteten Bereich ein Knorpelzylinder ausgestanzt und im Bereich der Verletzung eingepflanzt wird.

Inzwischen widmen sich Forscher und Kliniker der Knorpelzelltransplantation. Dabei werden aus dem Knorpel entnommene Zellen in Zellkultur vermehrt und entweder direkt in den Defekt injiziert und mit Knochenhaut abgedeckt, oder sie bilden in Verbindung mit einem Gel künstliche Knorpelteile, die anschließend transplantiert werden. Ob diese Zellen letztlich unter Belastung halten und wie gut die Qualität des so neugebildeten Knorpelgewebes ist, bleibt vorläufig aber noch unklar. „Man kann es einfach nicht messen. Dazu müsste man Gewebe entnehmen und das bedeutet, man setzt einen neuen Defekt“, erklärt Madry.

Knorpelzellen genetisch verändern

Während eines Forschungsaufenthaltes an der amerikanischen Harvard-Universität hatte der Homburger Mediziner bereits 1998 die Idee, Knorpelzellen gentechnisch so zu verändern, dass sie sich besser teilen und mehr Knorpelgrundsubstanz produzieren. Damit stünden mehr Zellen zur Verfügung, so dass sich die Chance einer Einheilung von Kunstknorpel verbessert. Als Zellteilungsmotor verwendet Madrys Team derzeit das Gen für den so genannten humanen insulinartigen Wachstumsfaktor I (IGF-I). Das dadurch vermehrt in der Knorpelzelle produzierte IGF-I veranlasst sie zur rascheren Teilung.

„Die Einschleusung des Gens ist sehr schwierig. Man kann das mit Liposomen bewerkstelligen oder aber mit entschärften Viren als Gen-Fähren“, erklärt Madry. Liposomen seien sicherer, aber nicht so effizient, bei Verwendung viraler Transporter verhalte es sich umgekehrt. Welcher Weg letztlich der Beste ist, prüfen die Homburger Orthopäden und Forscher zurzeit noch. Da nun bewiesen scheint, dass genetisch veränderte Knorpelzellen Reparaturprozesse verbessern können, geht die Suche nach Molekülen weiter, die die Zelleigenschaften in gewünschter Weise verändern. „Es muss zum Beispiel Signalstoffe geben, die dem Knorpelgewebe bis zum Jugendalter noch die Regenerierung ermöglichen, die dann aber verschwinden oder ihre Wirkung verlieren. Wenn wir solche Proteine finden, dann könnte uns eines Tages doch die Heilung von Knorpelverletzungen gelingen“, sagt Madry mit einem zuversichtlichen Blick in die Zukunft. Die Alternative zu Zelltransplantationslösungen könnten auch transplantierbare bioverträgliche Kunststoffe sein, an welche derartige therapeutische Faktoren angeheftet sind. Doch auch hier fehlt es bislang an aussagekräftigen Daten.

 

Stammzellen als Option dpa  Die Fähigkeit von Knochenmark-Stammzellen, Körperzellen zu bilden, wollen deutsche und amerikanische Wissenschaftler bei der Arthrosetherapie nutzen. Eine neue Methode, in einem geschädigten Gelenk Knochenmarkzellen zum Wachstum von neuer Knorpelsubstanz anzuregen, stellte der amerikanische Wissenschaftler Chris Evans von der Harvard-Universität Anfang des Monats in Düsseldorf vor.

Eine Reihe von Zell- und Tierexperimenten, bei denen heilendes Knochenmark-Protein-Gemisch schonend in das Gelenk gebracht wurde, sei erfolgreich verlaufen, sagte der weltweit einzige Professor für Molekulare Orthopädie. Das Verfahren soll in Kürze an mehreren deutschen Universitäten in Klinischen Studien weiter getestet werden, kündigte der Düsseldorfer Orthopäde Professor Dr. Wilhelm Klein an.

Dem US-Forscher ist es nach eigenen Angaben gelungen, die Knochenmarkzellen zu „überlisten“. Dabei werde das Mark mit speziellen Wachstumsfaktoren (TGF-beta) vermischt und so zur Ausbildung von Knorpelgewebe an der geschädigten Stelle des Gelenkes angeregt. Da nur körpereigene Zellen des Patienten verwandt würden, seien keine Abstoßungsreaktionen zu erwarten, sind sich die Wissenschaftler sicher. Im Gegensatz zur herkömmlichen Knorpeltransplantation, die mit zwei größeren Operationen verbunden ist, sei dieses mit einem kleinen Eingriff binnen einer Stunde anzuwendende Verfahren schonender und kostengünstiger.

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