Medizin
Bedarf an Blutprodukten steigt
permanent
Der Bedarf an Blut und
Blutprodukten steigt in der Bundesrepublik ständig an.
Während zelluläres Blut ausreichend zur Verfügung
steht, fehlen jährlich 400 000 Liter Plasma. über die
Lage der Blutversorgung, technische Trends und Sicherheit
diskutierten Ärzte und Medizintechniker in Berlin.
Pro Jahr finden nach Auskunft von Professor Dr.
Walter Brandstädter, Vizepräsident der
Bundesärztekammer, in Deutschland etwa vier Millionen
Blutspenden (à 500 Milliliter) statt. Drei bis vier
Prozent der Bundesbürger spenden regelmäßig. Der
größte Teil des Blutes wird nicht als Vollkonserve
verwendet, sondern in Zellbestandteile (Erythro-, Leuko-
und Thrombozyten) sowie einzelne Plasmafraktionen
(Immunglobuline und Gerinnungsfaktoren) getrennt. Der
Vorteil: Tiefgefroren sind die Plasmakonzentrate mehrere
Jahre haltbar und vielseitig verwendbar. Etwa 78 Prozent
des Blutaufkommens werden für große chirurgische
Eingriffe benötigt. 22 Prozent kommen chronisch Kranken
und Neugeborenen zugute. Besonders großer Bedarf besteht
bei Krebs- und Herzpatienten.
Während zelluläres Blut fast immer ausreichend
vorhanden sei, fehlten jährlich 400 000 Liter Plasma und
müssen importiert werden, so Brandstädter. Die
Bedarfslücke soll durch bis zu 40 weitere Zentren zur
selektiven Plasmagewinnung geschlossen werden. Außerdem
sollen die Möglichkeiten zur Eigenblutspende stärker
genutzt werden. Nach Aussage Brandstädters ist jede
dritte Blutkonserve durch Eigenblut ersetzbar. In der
Blutrückgewinnung bei Operationen sieht er ebenfalls
Reserven. Die Entwicklung von künstlichem Blut sei
dagegen keine greifbare Alternative.
Einig waren sich Ärzte und Medizintechniker auch über
den technischen Trend in der Transfusionsmedizin. Der
überwiegende Teil des Blutes wird zur Zeit noch mit
manuellen Verfahren gewonnen und anschließend in Labors
weiterverarbeitet. Ein neuer Weg ist die maschinelle
Vollblutspende auf Hämapheresebasis. Dabei erfolgt mit
Hilfe eines Blutzellseparators bereits während der
Abnahme die Auftrennung des Blutes. Sofort nach
Beendigung der Spende stehen die Blutpräparate
standardisiert und einsatzbereit zur Verfügung.
Untersuchungen hätten ergeben, daß so gewonnene rote
Blutzellen weniger Sammlungsschäden, dafür aber bessere
Fließeigenschaften und günstigere Auswirkungen auf den
Stoffwechsel aufwiesen, sagte Professor Dr. Gert Matthes,
Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin am Zentrum
für Blut- und Krebserkrankungen in Berlin.
Oberstes Gebot der Transfusionsmediziner ist nach
Auskunft von Dr. Christl Heinrichs vom
Hämophilie-Zentrum am Berliner Krankenhaus im
Friedrichshain die Sicherheit für Spender und
Empfänger. Blut und Blutprodukte haben den Status von
Arzneimitteln und unterliegen dem Arzneimittelgesetz.
Für Zulassung und Chargenkontrolle ist seit 1994 das
Paul-Ehrlich-Institut zuständig. Hauptprüfkriterien
sind Wirksamkeit und Abwesenheit von Viren in den
Blutpräparaten.
Das Institut arbeitet mit mehr als 100 Herstellern in der
Bundesrepublik zusammen. Das Spektrum der Blutprodukte
umfaßt etwa 5000 Präparate. Im Verhältnis zu der
Spendenanzahl sei das Risiko einer Infektion sehr gering,
betonte Heinrichs. In den vergangenen fünf Jahren habe
es in Westeuropa etwa 500 transfusionsbedingte
Infektionen, darunter 12 HIV-Übertragungen und 43 Fälle
von Hepatitis B, gegeben. Ein Problem sei jedoch nach wie
vor das diagnostische Fenster.
PZ-Artikel von Gisela Dietz, Berlin
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de