Medizin
HIV und H. pylori: Impfansätze
vorhanden
Infektionskrankheiten nehmen
weltweit zu. Die adäquate Antwort darauf wäre eine
Prävention in Form von Impfungen. Wie schwierig die
Impfstoffentwicklung jedoch sein kann und welche
strategischen Überlegungen dabei einfliessen müssen,
soll am Beispiel von zwei Erregern gezeigt werden, die in
den letzten Jahren viel von sich reden gemacht haben: HIV
und Helicobacter pylori.
Eine der größten Herausforderungen für die
Wissenschaftler dürfte derzeit die Entwicklung eines
Impfstoffes gegen das AIDS-Virus sein. Einige
Impfstoffkanditaten hat es bereits gegeben, darunter
gentechnisch entschärfte oder chemisch inaktivierte
HI-Viren, ein Pockenimpfstoff, der Teile des HIV-Genoms
enthält sowie gentechnisch hergestellte
HIV-Hüllproteine oder synthetische Peptide. Alle
klinischen Versuche waren aber bislang nicht von Erfolg
gekrönt, teilweise begünstigten sie sogar eine
HIV-Infektion.
Zur Zeit wird wieder ein HIV-Impfstoff an Menschen
getestet, Freiwillige sind Familienangehörige von
HIV-Infizierten in China. Entwickelt wurde der Impfstoff
am Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene
der Universität Regensburg. Wie Ralf Wagner, Leiter der
Arbeitsgruppe HIV-Impfstoffentwicklung, berichtete,
handelt es sich dabei um Partikel, die von einem
bestimmten Genabschnitt des HI-Virus kodiert werden. Der
Genabschnitt wird in Insekten- oder Säugetierzellen
integriert, die die Partikel dann in großen Mengen
produzieren. In Lösung aggregieren sie von selbst zu
Strukturen, die unreifen HI-Virionen ähneln und von den
T-Zellen gut erkannt werden. Um das Trägersystem noch
komplexer zu machen, wurde es zusätzlich mit Teilen von
HIV-Oberflächenproteinen ergänzt.
Hinter der aufwendigen Entwicklung steckt der Gedanke,
dem Immunsystem möglichst viele Erkennungsregionen des
HI-Virus anzubieten, um die Wahrscheinlichkeit, daß sich
der Erreger durch Mutationen dem Zugriff des Immunsystems
entziehen kann, zu reduzieren. Gleichzeitig sollte es
sich um keinen Lebendimpfstoff handeln, da der
möglicherweise eine Infektion auslösen könnte.
Versuche an Rhesusaffen hatten gezeigt, daß der neue
HIV-Impfstoff beide Arme des Immunsystems aktiviert: Es
werden sowohl Antikörper gebildet, die das Virus
erkennen, komplexieren und den Makrophagen anbieten, als
auch Killerzellen aktiviert. Dieses Kunststück bringt
sonst nur ein Lebendimpfstoff zustande. Mit ersten
Ergebnissen von der Impfkampagne in China wird in etwa
zwei Jahren gerechnet.
H.-pylori-Vakzine zielt auf Virulenzfaktoren
Ganz andere Wege werden bei der
Impfstoffentwicklung gegen Helicobacter (H.) pylori
beschritten. Hier richtet sich der Impfstoff nicht gegen
den Erreger direkt, sondern gegen die von ihm gebildeten
Virulenzfaktoren, die ihm das Überleben im sauren
Magenmilieu ermöglichen. Experimente mit Mäusen haben
bisher gezeigt: Eine Helicobacter-Infektion läßt sich
verhindern und eine bestehende sogar eradizieren, wenn
man dem Immunsystem einen Virulenzfaktor zusammen mit
einem Adjuvans anbietet.
Besonders die Keim-Eradikation durch Impfung war eine
Überraschung. Wie Professor Dr. Norbert Lehn,
Regensburg, berichtete, hatte man ihr anfangs gar keine
Erfolgsaussichten eingeräumt, da das Immunsystem ohnehin
sein ganzes Repertoire auffährt, wenn der Keim im Magen
heimisch wird: IgG und IgA werden gebildet sowie
Lymphozyten und Granulozyten aktiviert. Trotzdem
funktionierte die therapeutische Impfung im
Tierexperiment.
Zu einem der wichtigsten Virulenzfaktoren, der
mittlerweile in einer klinischen Phase-I-Studie auf seine
Verträglichkeit getestet wurde, zählt die Urease. Sie
wurde von den Probanden gut vertragen. Welcher
Virulenzfaktor als Impfstoff jedoch das Rennen machen
wird, ist noch völlig unklar. Letztendlich ist noch
nicht bekannt, ob tatsächlich die Urease für die
Infektion oder die Entwicklung eines Magenulkus
verantwortlich ist. Mögliche Kandidaten sind noch die
von Helicobacter gebildeten Zytotoxine oder auch die
Adhäsine, mit denen sich der Keim am Epithel festsetzt.
Die Adjuvantien dienen dazu, das Antigen dem Immunsystem
so anzubieten, damit es verstärkt darauf reagiert. In
Frage kommen gentechnisch abgeschwächtes Choleratoxin
oder das LT-Protein. Beides wurde aber bisher an Menschen
noch nicht getestet.
Die Helicobacter-Impfung steckt derzeit zwar noch völlig
in den Kinderschuhen, wenn sie sich aber auch am Menschen
durchführen ließe, wäre dies eine interessante
Ergänzung oder sogar Alternative zur Keim-Eradikation
mittels Triplettherapie. Denn wie andere Bakterien,
beherrscht auch H. pylori den Trick der Resistenzbildung.
Vor allem die Antibiotikaresistenz gegen Metronidazol
nimmt zu. Die Resistenzrate in Deutschland liegt derzeit
zwischen 10 und 20 Prozent und kann nach erfolgloser
Erst-Eradikation auf etwa 50 Prozent steigen. Aus
Hongkong wird bereits eine Resistenzquote von 80 Prozent
gemeldet.
PZ-Artikel von Anita Schweiger, Regensburg
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