Medizin
Erfolgversprechende
Therapieansätze bei AIDS
Das HI-Virus ist unbeirrt auf dem
Vormarsch: 22 Millionen Menschen sind weltweit nach
WHO-Schätzungen bereits infiziert, bis zum Jahr 2000
rechnet man mit 40 Millionen. Über die Hälfte der
AIDS-Kranken leben in Afrika, aber auch in Asien gibt es
mit über 800 000 Neuinfektionen jährlich einen
zunehmenden Trend. In Europa geht man momentan von einer
halben Million Infizierter aus - Tendenz auch hier
steigend.
Von einer Erkrankung der Homosexuellen und
Drogenabhängigen könne man schon lange nicht mehr
sprechen, erklärte Dr. Ulrike Dietrich vom
Georg-Speyer-Haus in Frankfurt. Immer mehr
HIV-Infektionen werden heterosexuell übertragen,
weltweit sind es bereits 70 Prozent. Hinzu komme die
permanent zunehmende Variabilität des Virus, so Dietrich
im Oktober beim Interpharm-Fortbildungskongreß in
Leipzig. Mittlerweile seien es nicht mehr "nur"
die beiden Erreger HIV-1 und -2 mit ihren verschiedenen
Subtypen, inzwischen habe man auch Rekombinanten
gefunden, die genetisches Material von beiden enthalten.
Aufgrund der hohen Fehlerquote der viralen
Reverse-Transkriptase bei der Replikation des Virus sei
schon innerhalb eines Patienten eine Erregervariabilität
um rund 5 Prozent zu beobachten, so Dietrich weiter.
Innerhalb eines Subtyps liege diese Zahl bei 10 bis 20
Prozent, zwischen verschiedenen Subtypen bei über 30
Prozent. Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs werde
immer unwahrscheinlicher.
Lichtblicke in der Therapie
Trotzdem gibt es auch Anlaß zur Hoffnung,
jedenfalls was die Behandlung angeht. So wisse man, daß
nicht nur die Lymphozyten, sondern auch die langlebigen
Makrophagen Zielzellen für das HI-Virus sind. Weiterhin
sei es vor kurzem gelungen, den Zusammenhang zwischen der
Viruslast eines Infizierten und seinem Erkrankungsrisiko
aufzuzeigen - laut Professor Dr. Helga Rübsamen-Waigmann
ein wesentlicher Schritt: "Je mehr Viruspartikel,
desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das Vollbild
AIDS zu entwickeln." Man habe damit ein klar
definiertes Therapieziel: Senkung der Viruslast unter die
Nachweisgrenze.
Zumindest in Ansätzen gelingt das heute bereits durch
die kombinierte Anwendung von Arzneistoffen, die die
viralen Enzyme Reverse Transkriptase (RT) oder Protease
hemmen. Den größten Erfolg verspricht derzeit die
Dreifach (Triple)-Kombination von zwei RT-Inhibitoren
(AZT und 3TC) und einem Protease-Inhibitor (Indinavir),
so die AIDS-Forscherin. "Das heißt aber nicht, daß
kein Virus mehr da ist. Kein Anstieg der Viruslast
bedeute lediglich, daß keine Virusvermehrung mehr
stattfindet und "ohne Vermehrung keine
Mutationen". Zusätzlich werde mit Zytokinen
(Interleukin 2) behandelt, da sich durch Stabilisierung
des Immunstatus der Erfolg der
AZT/3TC/Indinavir-Kombination zum Teil verbessern lasse.
Complianceprobleme seien bei vielen Patienten
programmiert. Resultat: Resistenzentwicklungen und
Unwirksamkeit. Ziel sei es daher, neue, besser
verträgliche Substanzen und neue, langwirksame
Darreichungsformen zu entwickeln.
Gentherapie bereits in Erprobung
Ein weiterer, "attraktiver Ansatz bei
AIDS" ist für Rübsamen-Waigmann die Gentherapie.
Es sei denkbar, die Knochenmarksstammzellen gegen das
Virus resistent zu machen. Versuche, die Zellen, von
Patienten zu entnehmen, in vitro mit Resistenzgenen zu
versehen und ihnen wieder zu implantieren, laufen in den
USA bereits. Nachteilig seien allerdings die sehr hohen
Kosten dieses Ansatzes: Pro Anwendung, die
voraussichtlich in regelmäßigen Abständen (alle paar
Jahre) wiederholt werden muß, werden 100000 bis 200000
DM veranschlagt. Zum Vergleich: Die jährlichen Kosten
pro Patient für die AZT/3TC/Indinavir-Kombination liegen
um 20000 DM.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Leipzig
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