Die gefährliche stille Infektion |
07.11.2005 00:00 Uhr |
Infektionen mit Chlamydia trachomatis gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen weltweit. Meist verlaufen sie asymptomatisch, doch sie können schwere Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit haben. Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) fordern daher mehr Aufklärung über die verborgene Infektion.
Chlamydieninfektionen sind zwar wenig bekannt, dafür aber sehr häufig. Pro Jahr infizieren sich Schätzungen zufolge 300.000 Menschen in Deutschland neu mit den gramnegativen Bakterien. Vor allem sexuell aktive Jugendliche und junge Erwachsene sind betroffen. Je nach Untersuchung sind zwischen 2,5 und 10 Prozent der über 14-jährigen Mädchen und Frauen infiziert. Bei etwa der Hälfte der Männer und 80 Prozent der Frauen verlaufen Chlamydieninfektionen ohne Beschwerden und bleiben daher häufig unerkannt, berichtet das RKI.
Chronische, unbehandelte Infektionen können jedoch zu schweren Folgeerkrankungen führen wie chronischen Bauchbeschwerden, Entzündungen von Gebärmutter, Eierstöcken oder Eileitern. Letzteres kann eine Bauchhöhlenschwangerschaft bedingen. Außerdem kann die Infektion zu Unfruchtbarkeit führen: Rund 100.000 Frauen im gebärfähigen Alter in Deutschland sind auf Grund einer Chlamydieninfektion ungewollt kinderlos, schätzt die Deutsche »Sexual Transmitted Diseases«-Gesellschaft (DSTDG). Die Bakterien sind damit für etwa die Hälfte aller Fälle von Sterilität verantwortlich. Auch bei Männern können die Bakterien über eine Entzündung der Harnröhre zur Zeugungsunfähigkeit führen.
Doch trotz der schweren Folgen kennen nach Angaben von pro familia die meisten Jugendlichen den Begriff »Chlamydien« nicht. Die Aufklärung an Schulen beschränke sich meist auf die Prävention von HIV und Aids, hieß es auf einer Fachdiskussion am RKI zum Nutzen von Chlamydien-Screenings, wie das Institut im Epidemiologischen Bulletin (Nr. 43) berichtet. Andere sexuell übertragbare Krankheiten würden im Unterricht nicht behandelt.
Aber nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Ärzten bestehe Aufklärungsbedarf. Die Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der sexuell übertragbaren Krankheiten müsse verbessert werden, meinten die Experten. Denn nur bei einer rechtzeitigen Diagnose ließen sich Folgeerkrankungen vermeiden. Vor allem über die neuen Nachweisverfahren wären viele Ärzte nicht ausreichend informiert.
Der Erreger, Chlamydia trachomatis, gehört zur Gattung Chlamydia aus der Familie Chlamydiaceae. Das unbewegliche gramnegative Bakterium lebt obligat intrazellulär. Die verschiedenen Serotypen von Chlamydia trachomatis verursachen unterschiedliche Erkrankungen. Die Serotypen D bis K rufen die sexuell übertragbaren urogenitalen Infektionen hervor. Außerdem können sie zu Augeninfektionen und nach perinataler Übertragung auch zu Lungenentzündung und Augenentzündungen bei Neugeborenen führen. Die Serotypen A bis C verursachen das Trachom, eine chronische Erkrankung der Bindehäute, die häufig zur Erblindung führt. Sie tritt fast ausschließlich in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen auf. Die Serotypen L1 bis L3 rufen Lymphogranuloma venereum, eine in den Tropen weit verbreitete sexuell übertragbare Krankheit, hervor.
Die Inkubationszeit bei Chlamydieninfektionen beträgt in der Regel zwischen ein und drei Wochen, bei genitalen Infekten kann sie bis zu sechs Wochen dauern.
Der direkte Erregernachweis ist bei der Diagnose einer Infektion mit Chlamydia trachomatis die Methode der Wahl. Amplifikationsverfahren wie PCR sind sensitiv und spezifisch, aber auch mit hohen Kosten und Aufwand verbunden. Sie benötigen deutlich weniger Zeit als die preiswertere Methode der Anzucht von Bakterien aus Zervix-, Urethra- oder Rektumabstrichen.
Zur Behandlung einer Chlamydieninfektion sind Tetrazykline (wie Doxycyclin), Makrolide (Erythromycin und die neueren Derivate wie Clarithromycin und Azithromycin) sowie Chinolone (Levofloxacin) geeignet, listet das RKI in seinem »Ratgeber Infektionskrankheiten« auf. Trotz antibiotischer Therapie treten häufig Rezidive auf, weshalb Patienten die Medikamente auch bei harmlosen genitalen Infekten mindestens zwei Wochen lang nehmen sollten.
Den besten Schutz vor Infektionen mit Chlamydia trachomatis bietet die
korrekte und regelmäßige Verwendung von Kondomen. Eine Impfung gegen den Erreger
existiert bislang nicht. Um schwere Folgeerkrankungen wie Infertilität zu
vermeiden, ist ein regelmäßiges Chlamydien-Screening vor allem bei jungen Frauen
unter 25 Jahren sinnvoll. In den USA, Schweden und Großbritannien existieren
solche Screening-Programme bereits.
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