Medizin
Durchbruch in der
Transplantationsmedizin ?
Trotz großer Fortschritte bei
der Übertragung von Organen ist eine Transplantation
noch immer kein Routineeingriff. Die Suche nach einem
geeigneten Spender und das Verhindern der Organabstoßung
nach dem Eingriff stellen die Ärzte vor große Probleme.
Eine neue Studie, bei der die immunologischen Grundlagen
der Abstoßung von Fremdgeweben untersucht wurden, gibt
Anlaß zu der Hoffnung, daß in Zukunft mit Hilfe eines
gentherapeutischen Eingriffes diese Probleme gelöst
werden.
Für eine erfolgreiche Transplantation ist es
notwendig, daß Spender und Empfänger möglichst
ähnliche MHC-Moleküle (major histocompatibility
complex) besitzen. Die MHC-Moleküle befinden sich auf
der Oberfläche aller Zellen und sind der
Fingerabdruck" des betreffenden Gewebes. Wird
ein fremdes Organ in den Körper eingebracht, so erkennen
es die Immunzellen mit Hilfe der MHC-Moleküle und
stoßen es ab. Bislang müssen Patienten nach einer
Transplantation Immunsuppressiva wie Ciclosporin,
Tacrolimus oder Glucocorticoide einnehmen, um die
Abstoßung zu verhindern. Allerdings werden die Patienten
dadurch für opportunistische Infektionen sehr anfällig.
Seit langem ist bekannt, daß das Hodengewebe eine
Sonderstellung einnimmt, da es bei einer Transplantation
nicht abgestoßen wird. Bellgrau und seine Mitarbeiter
untersuchten die molekulare Grundlage dafür. Sie
transplantierten Hodengewebe einer Maus unter die
Nierenkapsel einer anderen Maus. Hodengewebe von normalen
Mäusen wurde wie erwartet nicht abgestoßen. Übertrugen
sie jedoch Gewebe von einer Maus, die ein mutiertes
CD95-Ligandenmolekül (CD95 L) auf der Zelloberfläche
trug, wurde das Transplantat abgestoßen. Das CD95
L-Molekül (auch Fas oder Apo-I-Ligand genannt) ist ein
Protein, das eine wichtige Rolle bei der Regulation von
Imunantworten spielt. Es kann in Zellen, die den
CD95-Rezeptor tragen, den programmierten Zelltod
auslösen.
Die T-Zellen, die hauptsächlich für die Abstoßung von
Geweben zuständig sind, besitzen im aktivierten Zustand
auf ihrer Oberfläche CD95-Rezeptormoleküle. Die
Wechselwirkungen zwischen CD95 und seinem Liganden
vernichtet gezielt die aktivierten T-Zellen und
verhindert so auch überschießende Autoimmunantworten.
Weitere Experimente zeigten, daß Hodentransplantate in
Mäusen ohne CD95-Rezeptor wie normales Gewebe
abgestoßen werden. In anderen Organen wie Leber, Lunge
oder Lymphknoten konnte der Ligand nicht nachgewiesen
werden.
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, daß die
CD95-Liganden-Rezeptorinteraktion eine sehr wichtige
Rolle bei der Abstoßung von körperfremden Geweben
spielt. Es wird dadurch die Perspektive eröffnet, in
Zukunft mit Hilfe der Gentherapie CD95-Ligandenmoleküle
in zu transplantierende Organe einzuführen und so die
Abstoßung zu verhindern. In diesem Fall wäre die
möglichst genaue Übereinstimmung der MHC-Moleküle und
die Gabe immunsuppressiver Medikamente überflüssig.
PZ-Artikel von Bettina Wick, Freiburg
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de