Medizin
Cytomegalie-Viren (CMV) lösen bei HIV-Patienten häufig
opportunistische Infektionen wie Retinitis, Kolitis und Enzephalitis aus. Die
Auswirkungen einer antiretroviralen Therapie auf bestehende
CMV-Infektionen ist bislang noch unklar.
In einer Publikation faßten jetzt Spezialisten den aktuellen Stand der Behandlung der
CMV-Erkrankung bei HIV-Patienten zusammen. Ziel der Leitlinien ist es, den
behandelnden Ärzten eine Hilfestellung bei der Therapie zu geben.
CMV-Retinitis
Die Retinitis zählt zu den häufigsten CMV-Infektion bei AIDS-Patienten. Die
Diagnose erfolgt anhand klinischer Symptome. Ophthalmologische Untersuchungen
sollten unmittelbar vor und nach dem Behandlungsbeginn und danach monatlich
durchgeführt werden. Die Auswahl der Therapie sollte anhand der Effektivität, dem
Risiko toxischer Effekte und Nebenwirkungen sowie der Lebensqualität der
Patienten erfolgen.
Beim Ganciclovir besteht die Initialtherapie aus einer zweimal täglichen einstündigen
Infusion von 5 mg/kg KG für 14 bis 21 Tage; als Erhaltungstherapie gibt man einmal
täglich 5 mg/kg KG. Bei 85 Prozent der Patienten mit CMV-Retinitis besserte oder
stabilisierte sich der Krankheitszustand; fast alle Aids-Patienten erlitten jedoch
Rückfälle innerhalb von zwei bis fünf Wochen nach Absetzen der Therapie. Als
Nebenwirkungen der intravenösen Ganciclovir-Therapie wurden unter anderem
Neutropenie und Thrombozytopenie beobachtet. Die Neutropenie kann mit Hilfe
der adjuvanten Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem-Faktor (GCSF)
behandelt werden. Die erforderliche Dosis liegt bei dreimal wöchentlich 300 µg und
anschließender Dosisanpassung.
In einer randomisierten Studie erwies sich intravenös appliziertes Foscarnet in der
Primär- und Erhaltungstherapie gegenüber der intravenösen Ganciclovir-Therapie als
gleichwertig. Als Erhaltungstherapie wurde einmal täglich zwei Stunden lang 90
mg/kg KG infundiert. Eine zwar effektivere Dosis von 120 mg/kg KG führt zu noch
gravierenderen Nebenwirkungen. Dosislimitierende toxische Effekte wie reversible
Anstiege des Serumkreatininspiegels, Erbrechen, Übelkeit, genitale Ulzera und
neurologische Symptome treten bei circa 30 Prozent der Patienten auf. Erbrechen
und neurotoxische Effekte lassen sich durch eine langsame intravenöse Infusion
abmildern. Die Applikation von Foscarnet ist aufgrund der langsamen
Infusionsgeschwindigkeit, der nötigen Hydratation sowie der erforderlichen
Infusionspumpe die schwierigste und umständlichste Therapieform.
Die Standardtherapie mit Ganciclovir oder Foscarnet erfordert unter Umständen
lebenslange tägliche Infusionen. Kosten und Belastungen des Patienten sowie das
Risiko schwerer Infektionen in Zusammenhang mit einem zentralvenösen Katheter
sind problematisch. Die Gabe von Cidofovir, peroralem Ganciclovir oder einem
intraokularen Ganciclovir-Implantat können hilfreiche Therapieoptionen sein.
Gastrointestinale CMV-Infektionen
Cytomegalieviren verursachen häufig Ulcera des unteren ösophagealen Sphinkter,
können jedoch auch eine diffuse Ösophagitis, Ulcera der oberen Speiseröhre,
Gastritis, Magengeschwüre, Duodenitis, Duodenalulcera und Enteritis hervorrufen.
Das klinische Bild hängt weitgehend vom Ort der Infektion ab. Bei der Diagnose,
die in der Regel mit Hilfe einer endoskopischen Biopsie erfolgt, ist eine Mykose als
Erkrankungsursache auszuschließen.
CMV-Infektionen des unteren Gastro- Instetinal-Traktes findet man meist im
Bereich des Kolons (67 Prozent). Die Viren können jedoch auch Perforationen im
Ileum und rektale Ulzera verursachen. Häufigstes Symptom der Erkrankung ist eine
milde Kolitis mit Diarrhoe, geringgradigem Fieber und Bauchschmerzen. Zur
Diagnose dient meist eine kolonoskopische Biopsie.
Die Behandlung gastrointestinalen CMV-Infektionen erfolgt ähnlich wie bei einer
CMV-Retinitis mit der Einschränkung, daß die Induktionsphase drei bis sechs
Wochen (Retinitis: zwei Wochen) dauert. Momentan gilt Ganciclovir als Mittel der
Wahl zur Therapie der CMV-Kolitis; Foscarnet wird meist bei Versagen der
Ganciclovir-Therapie eingesetzt. Beim Versagen der jeweiligen Therapie kann auch
eine Kombination beider Wirkstoffe eingesetzt werden. Nach Absetzen der
Therapie kommt es im Mittel nach neun Wochen zu einem Rezidiv. Bislang existieren
kein Empfehlungen zur dauerhaften Erhaltungstherapie bei gastrointestinalen
CMV-Infektionen.
Neurologische CMV-Infektionen
Bei AIDS sind hauptsächlich zwei neurologische Syndrome mit einer
CMV-Infektion verbunden: Die CMV-Polyradikulopathie und die
CMV-Ventrikuloencephalitis. Erstere ist durch ein Harnverhalten und eine
fortschreitende bilaterale Muskelschwäche der Beine charakterisiert. Die Symptome
können rasch fortschreiten und zu einem Verlust der Blasenkontrolle und der
autonomen Kontrolle des Gastrointestinaltrakts sowie einer Paraplegie führen.
Spastische Myelopathien und sakrale Parästhesien können auftreten. Die Diagnose
erfolgt über den Nachweis von CMV-Antigen und -DNA im Liquor. Die
Ventrikuloenzephalitis tritt in der Regel als Begleiterscheinung bei CMV-Infektionen
anderer Organe auf. Die Patienten leiden unter Lethargie, Verwirrungszuständen und
Fieber. Nystagmus, Ataxie sowie unilaterale oder bilaterale kraniale
Nervenlähmungen sind die charakteristischsten Symptome. Die Diagnose erfolgt
über den Nachweis von CMV-DNA im Liquor.
Auch hier stellt die möglichst frühzeitig begonnene Behandlung mit intravenös
appliziertem Ganciclovir, Foscarnet oder einer Kombination von beiden das Mittel
der Wahl dar. Bislang existieren keine Hinweise, ob sich die Überlebensrate von
Patienten durch die Therapie verbessern läßt.
CMV-Pneumonie
Da Aids-Patienten an diversen Infektionen leiden, die zu einer Pneumonie führen
können, ist eine CMV-Infektion schwierig zu diagnostizieren. Diagnostische
Hinweise liefern pulmonale Infiltrate auf einer Röntgenaufnahme, der Nachweis von
CMV in einer Viruskultur, CMV-Antigen, die Anwesenheit von charakteristischen
intrazellulären Einschlüssen im Lungengewebe oder bronchoalveolären
Makrophagen. Einen wichtigen Hinweis stellt auch das Fehlen anderer pulmonaler
Pathogene oder das Therapieversagen von ansonten wirksamen Mitteln dar.
Auch hier ist die Behandlung mit intravenös appliziertem Ganciclovir oder Foscarnet
in der Standarddosierung Mittel der Wahl. Die Therapie sollte mindestens für 21
Tage fortgeführt werden. Die Ansprechrate liegt zwischen 60 und 70 Prozent. Die
bislang vorliegenden Daten rechtfertigen nicht den Einsatz von hochdosierten
Immunglobulinen. Eine längerdauernde Rezidivprophylaxe wird nur bei häufigen
Rückfällen empfohlen. Der Stellenwert der oralen Ganciclovir-Therapie hierbei ist
nicht untersucht.
Quelle: Whitley, R. J. et al. Arch. Intern. Med. 158 (1998) 957-969.
PZ-Artikel von Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden
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