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Schlafstörungen sind nicht zu unterschätzen

Datum 24.08.1998  00:00 Uhr

- Medizin

Govi-Verlag

Schlafstörungen sind nicht zu unterschätzen

Mindestens jeder fünfte Mensch in westlichen Industrienationen leidet an einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus. Noch stärker prädisponiert sind Frauen und Ältere. Am häufigsten trifft es chronisch Kranke; von ihnen schlafen nach einer Untersuchung in internistischen Rehabilitationskliniken fast 40 Prozent nicht befriedigend ein oder durch.

Nur etwa jeder zweite Schlafgestörte gibt seine Beschwerden beim Arztbesuch an, die meisten Patienten vermuten ein Nicht-Abschalten-Können von Problemen oder körperliche Erkrankungen als Ursache ihrer Störungen. Primärärztlich erkannt und behandelt werden letztlich nur rund 40 Prozent der Betroffenen. Eine Situation, die nicht nur aus mechanischer sondern auch aus ökonomischer Sicht wenig befriedigend ist.

Folgen der Behandlungslücken

Unzureichend therapierte Betroffene sind tagsüber müde und damit weniger leistungsfähig, ihre Unfallhäufigkeit ist deutlich erhöht. Untersuchungen bei Schlafapnoe-Patienten und Schnarchern ergaben im Vergleich zu Gesunden ein 37- beziehungsweise 17mal erhöhtes Risiko ausgeprägter Tagesmüdigkeit. Etwa 10mal schwerer als Gesunde erlernen Betroffene neue Aufgaben am Arbeitsplatz.

Die Folgekosten durch übermüdungsbedingte Unfälle werden allein in Deutschland mit jährlich rund 20 Milliarden DM veranschlagt, 4 Milliarden davon für Verkehrsunfälle. Hinzu kommen erhebliche Kosten durch Frühberentungen bei nicht diagnostizierten, und unbehandelten Fällen (circa 300.000 DM pro Fall beim Schlafapnoeiker) sowie Ausgaben für entstandene Folgeerkrankungen, falsch oder zu lang eingesetzte Medikamente oder durch die Entwicklung von Arzneimittelabhängigkeiten.

Nach Schätzungen von Experten sind etwa zwei Prozent der Deutschen von Benzodiazepinen abhängig; häufigster Grund für die oft jahrelange Dauereinnahme sind Rebound-Insomnien bei Absetzen der Medikation. Trotzdem gehören die Benzodiazepine hierzulande mit jährlich etwa 290 Millionen Verordnungen nach wie vor zu den am häufigsten eingesetzten Hypnotika.

Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) führt die Mißstände bei der Erkennung, Behandlung und Prävention von Schlaf-Wach-Störungen unter anderem auch auf Informationsdefizite bei Ärzten und Patienten zurück. Unterstützt von dem Pharmaunternehmen Synthelabo Arzneimittel hat die DGSM daher für Allgemeinmediziner und Fachärzte wissenschaftliche Fort- und Weiterbildungsseminare zu diesem Thema gestartet. Sie strebt darüber hinaus eine engere Vernetzung von Schlafzentren und Praxen sowie einen besseren Informationsaustausch zwischen Spezialisten und Nichtfachleuten übers Internet an. Geplant ist außerdem die Einrichtung eines digitalen Schlafstörungs-Atlas mit Fallbeispielen zu jeder der 88 möglichen Diagnosen.

Die Diagnostik der Schlaf-Wach-Störungen orientiert an der ICSD, der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen. Als Mindestsymptomdauer gelten sechs Wochen; unterschieden wird nach den beiden Leitsymptomen "Tagesschläfrigkeit" und "Ein- und Durchschlafstörungen". Schulmediziner fordern darüber hinaus eine Differenzierung nach organischen, psychiatrischen oder primär bedingten Ursachen, was jedoch in der Praxis meist zu kurz kommt.

Oft würden die Beschwerden pauschal als psychogen abgetan und entsprechend mit Psychopharmaka behandelt, beklagen die Experten. Sie fordern, Schlafstörungen nicht nur als Symptom zu betrachten. Vielmehr müsse auch in Erwägung gezogen werden, daß es sich bei der Insomnie um eine Grunderkrankung mit komplexer Genese handelt, die eine komplexe Therapie erfordert.

Die Feststellung der Schlafstörungen erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird versucht, durch die Beseitigung schlafstörender Einflüsse von außen (Lärm, Arbeitsbedingungen, Medikamente, Alkohol), von innen (erhöhte Anspannung, psychische Belastungen) sowie von schlafstörenden Verhaltensweisen (unregelmäßige Bettzeiten, spätes schweres Essen) die Beschwerden auszuschalten. Mißlingt dies und können darüber hinaus organische Ursachen wie Schilddrüsenerkrankungen ausgeschlossen werden, wird der Patient zur detaillierten Abklärung an eine Schlafambulanz, einen Schlafmediziner oder ein schlafmedizinisches Zentrum überwiesen.

In der Therapie beklagen Fachleute das Ungleichgewicht zwischen medikamentösen und psychotherapeutischen Maßnahmen. Letztere müßten nach Auffassung der Schlafmediziner stärker berücksichtigt werden, zumal sie inzwischen wissenschaftlich gut fundiert seien. Als "innovatives Therapiemanagement" propagieren die Experten dementsprechend:
  • Begleitung jeder Schlafmitteltherapie von mindestens einer verhaltensmedizinischen Maßnahme.
  • Schlafmittelauswahl nach dem spezifischen Anforderungsprofil des einzelnen Patienten.
  • Langzeittherapien nur nach strukturierten Konzepten aus Intervalleinnahme und/oder Substanzkombination.
  • Bei Therapie-Nonresponse: Spätestens nach jeweils sechs Monaten Konsultation der nächsten medizinischen Instanz (Hausarzt - Facharzt - Schlafmediziner).

Hypnotika der Wahl

Unter den derzeit auf dem Markt befindlichen Hypnotika seien solche Substanzen zu empfehlen, die über den Benzodiazepin-Rezeptor das GABA-System unterstützen, so das Expertenurteil bei den DGSM-Fortbildungsveranstaltungen. Als Stoffbeispiele wurden Benzodiazepine wie Flurazepam oder Lormetazepam und die neueren Benzodiazepin-Rezeptoragonisten Zalpidem und Zopiclon genannt.

Letztere scheinen gegenüber den Benzodiazepinen eine größere therapeutische Breite, geringere Toxizität und ein geringeres Abhängigkeitspotential aufzuweisen. Die Expertenwarnung bleibt trotzdem die gleiche: Alleinige Hypnotika-Langzeittherapie möglichst generell vermeiden.

PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Bad Vilbel

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